Tod in der Marsch
getraut,
es offen auszusprechen. Nun war es traurige Gewissheit geworden.
Auch das Kind war gefunden worden!
»Wieso glaubt man, dass es Lisa Dahl ist?«
Die Frage war rhetorisch. Dahinter stand die Hoffnung,
dass vielleicht ein Irrtum vorliegen könnte, wobei Christoph sich im Klaren
darüber war, dass Grothe, der sonst der ruhende Pol in dieser Dienststelle war,
nicht leichtfertig irgendwelche Vermutungen in den Raum stellte.
»Wir sind informiert worden, dass in einer Feldscheune
eine Leiche gefunden wurde. Die Kollegen der Streife, die daraufhin zum Fundort
beordert wurden, haben durchgegeben, dass es sich um ein Kind handelt.«
Er sah Christoph fest in die Augen. »Gottlob gehören
Mord und Gewalt in unserer Gegend nicht zum Alltag«, murmelte Grothe mehr zu
sich selbst. »Und dass Kinder die Opfer sind, ist – Gott sei Dank – die große
Ausnahme. Daher liegt die Vermutung sehr nahe, dass wir schon jetzt wissen, um
wen es sich handelt.«
Grothe kaute an seiner Zigarre, fast biss er in das
angeschnittene Ende hinein.
»Finden Sie das Schwein, mein Junge. Sie haben alle
Unterstützung, die Sie benötigen. Alle Kollegen der Polizeiinspektion Husum
stehen hinter Ihnen, gleichgültig, ob sie im Dienst sind oder freihaben.«
Er machte mit seiner großen, fleischigen Hand eine
Bewegung, die Christoph beschied, den Raum zu verlassen.
Als Christoph ins Büro zurückkehrte, erwarteten ihn
die neugierigen Blicke seiner beiden Kollegen.
»Lisa!«, sagte er nur.
»Verdammte Scheiße!«, entfuhr es Große Jäger. Dann
wischte sich der Oberkommissar verstohlen die Augen, während Mommsen sich
wortlos unter den Schreibtisch bückte, um an seinen Slippern ein nicht vorhandenes
Schuhband zu binden.
Mit knappen Worten hatte Christoph veranlasst, dass
der Erkennungsdienst in Kenntnis gesetzt wurde. Außerdem hatte er Dr.
Hinrichsen informiert.
»Ich bin schon dorthin bestellt worden«, erwiderte
dieser, »es gibt dort einen medizinischen Notfall bei den Zeugen.«
*
Nahezu gleichzeitig mit dem Mediziner erreichten sie
ihr Ziel. Inmitten der flachen Weidelandschaft im Dreieck zwischen Marschenbüll,
Oldenswort und Witzwort stand, durch einen mit Kopfweiden bepflanzten Knick zur
Wetterseite vor dem Wind grob geschützt, eine alte, baufällig wirkende
Feldscheune. Sie hatte schon seit langem keinen Anstrich mehr gesehen, an
einigen Stellen waren morsche Bretter aus der Wand herausgebrochen. Eine Seite
des Scheunentors schlug im Wind hin und her und krachte dumpf gegen die Wand.
Der Sturm trug die Schläge zu ihnen herüber, als sie aus den Wagen stiegen.
Vor der Scheune stand ein Streifenwagen. Zwei Polizisten
entstiegen ihm, als sie sich näherten. Automatisch fuhren ihre Hände an die
Schirmmütze, um diese vor einem Fortwehen bei der nächsten Bö zu schützen.
Während einer auf den Arzt zuging, kam der zweite den drei Kriminalbeamten
entgegen.
»Frerch, aus Tönning«, stellte er sich kurz vor und
tippte dabei an den Mützenschirm. »Bei dem Sturm sollten wir uns besser in den
Wagen setzen«, schlug er vor.
Im Fahrzeug berichtete er kurz und präzise, was die
beiden Streifenbeamten bisher in Erfahrung bringen konnten.
Über Handy sei ein Notruf an die Polizei
herausgegangen, und die Leitstelle hätte daraufhin ihr Fahrzeug zum angegebenen
Ort bestellt.
Dort hatten sie zwei völlig verstörte junge Leute
angetroffen. Die beiden, ihren Namen hatte die Polizisten notiert, waren mit
einem Fahrzeug, einem Golf, aus Uelvesbüll zu dieser ihnen bekannten Stelle
herübergekommen. Sie wollten die Scheune zu … nun ja, zu einem zärtlichen
Beisammensein aufsuchen.
Christoph sah sich um. Er konnte keinen Golf
entdecken.
Der Streifenbeamte bemerkte den suchenden Rundblick.
»Der Golf steht in der Scheune«, erklärte er und fügte hinzu, dass die Scheune
sonst fast leer sei. Ein paar Strohballen würden in einer Ecke liegen, ferner
befänden sich dort einige ausrangierte landwirtschaftliche Geräte.
Die jungen Leute hätten noch etwas herumgealbert und
seien über die Strohballen getollt, als sie das tote Kind entdeckten und dann
über Handy sofort die Polizei verständigten. Er, Frerch, sei kurz in der
Scheune gewesen, um die Angaben zu überprüfen, und könne die Aussage des jungen
Paares nur bestätigen. Dort in der Scheune liege ein Kind, wahrscheinlich ein
Mädchen. Näheres könne er nicht sagen, da er keine Spuren verwischen wollte.
Deshalb sei er auch allein in der Scheune gewesen, während sein Kollege
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