Tod in Florenz
Teller Minestrone glänzte das Gesicht des Maresciallo bereits ebenso rot wie das der Köche, die um das lodernde Feuer arbeiteten. Die plötzliche Wärme und die dicke, dampfende Suppe taten ihre Wirkung nach dem Vormittag im kalten Regen. Die meiste Zeit aß er schweigend, die großen Augen auf Niccolini gerichtet, der weiterhin redete wie ein Wasserfall, während er seine Minestrone gierig in sich hineinschlang.
»Und jetzt, nachdem Sie mit Berti gesprochen haben, verstehen Sie sicher, was ich meine. Ein komischer Kauz, aber wie gesagt, relativ harmlos. Trotzdem wäre mir nicht ganz wohl, wenn meine Tochter allein mit ihm arbeiten würde – nicht, daß ich eine Tochter hätte, zwei Söhne, von denen einer gerade seinen Militärdienst bei uns absolviert. Was halten Sie von unserem Restaurant? Tozzi macht seine Sache gut, füttert uns bestens, ein Segen für mich, denn meine Frau arbeitet, Vollzeit als Lehrerin in Empoli, und ist nie vor drei zu Hause. Aber man ißt wirklich gut hier, sehr gut. Ach, das Leben ist schön, wenn man versteht, es zu genießen, sage ich immer. Und Sie, Guarnaccia, na? Wie ich sehe, sind Sie auch kein Kostverächter. Ich habe Tozzi gesagt, er soll uns ein paar schöne Scheiben von diesem Rostbraten abschneiden. Lassen Sie sich noch einen Schluck Wein eingießen.«
»Ich glaube nicht …« Das Gesicht des Maresciallo wurde noch röter. Wenn er noch mehr von diesem herrlichen Rotwein trank, würde er auf der Rückfahrt nach Florenz bestimmt im Bus einschlafen. Einen schönen Anblick würde er bieten, und das in Uniform. Doch Niccolini hatte sein Glas schon bis zum Rand nachgefüllt, und Tozzi hatte einen Servierwagen an den Tisch gerollt und schnitt dicke, saftige Fleischscheiben. Dann würde er eben auf den Nachtisch verzichten, beschloß er, als der große Teller vor ihn hingestellt wurde.
»Mhmmm …!« machte Niccolini etwas später, lehnte sich zurück und wischte sich mit der Serviette den Mund.
»Na, was sagen Sie?«
»Es ist sehr gut.«
»Wie? Ach so, das Fleisch? Hervorragend. Ich meinte, was Sie zu der Sache mit dem Mädchen sagen. Ist etwas dran, Ihrer Meinung nach?«
»Möglicherweise ja, vielleicht auch nicht. Ehrlich gesagt, mich interessiert mehr, was Sie darüber denken. Schließlich sind Sie derjenige, der sie kennt. Ich habe sie nie gesehen.«
»Da haben Sie wohl recht. Also, mir scheint sie ein ganz vernünftiges Mädchen zu sein.«
»Nicht so eine, die sich davonmacht, ohne jemandem Bescheid zu sagen?«
»Ich würde sagen nein. Aber natürlich weiß man so etwas nie genau, ich habe schon die seltsamsten Dinge erlebt, allerdings scheint sie immer ziemlich gut zu wissen, was sie tut. Und sie ist Schweizerin, die sind ja sehr penibel, ausgesprochen penibel.«
»Es können nicht alle gleich sein«, stellte Guarnaccia nüchtern fest.
»Nein, nein … Aber sie ist penibel, wissen Sie, in ihrer ganzen Art. Achtet auch darauf, was sie ißt. Nicht mal ein Vogel könnte davon satt werden, meiner Meinung nach, und nie mehr als ein Glas Wein, obwohl ich ihr immer von meinem anbiete. Ein Glas, und dann Mineralwasser. Fertig! Man kann sie um keinen Preis der Welt zu mehr überreden.«
Der Maresciallo, der schon seine Erfahrung mit Niccolinis Dampfwalzenmethoden hatte, dachte bei sich, daß dieses Mädchen in der Tat Charakterstärke besitzen mußte.
»Und Ihres Wissens hat sie nichts mit einem Mann hier in der Gegend?«
»Nicht daß ich wüßte, nein. Sie können jede Wette eingehen, daß Berti es versucht hat, der alte Ziegenbock, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ein hübsches junges Mädchen wie sie etwas mit ihm anfangen würde. Mein junger Brigadiere hat unter uns gesagt auch eine Schwäche für sie. Er ißt sonst immer hier mit mir, und seine Augen beginnen jedesmal zu strahlen, wenn sie kommt – kann’s ihm nicht verdenken. Nein, ich will damit nicht sagen, daß sie ihn ermutigt, nicht ernsthaft, aber sie flirtet ein bißchen mit ihm, wissen Sie. Sieht immer aus, als freue sie sich, ihn zu sehen, interessiert sich für alles, was er sagt, neckt ihn ein bißchen. Aber nichts Ungebührliches, und natürlich bin ich immer dabei … Liebenswertes Mädchen – auch wenn es meiner Ansicht nach nicht gut ist, mit den Männern hier so offen und herzlich umzugehen. Ich nehme an, diese jungen Ausländerinnen sind es eben anders gewöhnt … Trotzdem, die Jungs da drin sind schon eine Bande.« Er deutete auf den großen Raum nebenan, von wo Gesprächsfetzen und
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