Tod in Florenz
machen sich dann gewöhnlich ein langes Wochenende … Na, das ist etwas anderes. Sie geht also zu ihm, soso. Und glauben Sie, daß sie am Montag dort war? Vorhin auf dem Revier haben Sie mir erzählt, Berti sagt, sie war nicht bei ihm.«
»Das sagt er, aber es könnte stimmen oder auch nicht.«
»Hmm.«
»Sie glauben ihm nicht?«
Niccolini lachte schallend. »Der ist aalglatt! Also, ich sage nicht, daß er unbedingt lügt, aber er würde es tun, notfalls. Der Mann ist wie gesagt relativ harmlos, aber er könnte Ärger vermuten und sich heraushalten wollen. Wenn er glaubt, daß dem Mädchen etwas zugestoßen ist …«
»Wenn ihr etwas zugestoßen ist, dann ist er auf dem falschen Dampfer, wenn er meint, sich Ärger vom Hals halten zu können, indem er uns anlügt.«
»Die meisten Leute überlegen nicht viel – lassen Sie mich Ihr Glas nachfüllen, keine Widerrede, das ist guter, sauberer Wein und kann Ihnen nicht schaden – und die sich für schlau halten, haben oft noch weniger Verstand als der Rest. Berti hält sich für schlau, und zweifellos ist er es auf seine eigene beschränkte Weise und mit seinesgleichen. Das haben Sie wahrscheinlich selbst gemerkt.«
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht recht, was ich von ihm halten soll.«
»Also, da das Mädchen schließlich bei einem von beiden gewesen sein muß, weil Sie ja sagen, sie sei wie immer aus dem Bus gestiegen, dann würde ich, so wie ich Berti kenne, mein Geld eher auf Morettis Wahrheitsliebe setzen.«
»Ich ebenso. Aber er konnte mir nichts Genaues sagen. Er meinte, er sei nur eine halbe Stunde in seiner Fabrik gewesen und dann mit Kunden zum Essen hierhergekommen – das könnten wir nachprüfen, wo wir schon hier sind. Die anderen Männer hatten den Tag frei, deshalb …«
»Hm … schwierig.«
»Offenbar konnte sie rein, da er nie abschließt.«
»Nein …? Ah, Signora Tozzi, Sie kommen wie gerufen. Sie wissen nicht zufällig, ob Moretti am Montag hier war, oder? Ich selbst habe ihn nicht gesehen, aber er hat wahrscheinlich hier gegessen, da er Kunden dabei hatte.«
»Stimmt. Er ißt sonst immer zu Hause. Sie haben an dem Tisch gesessen, an dem Sie jetzt sitzen. Warum?«
»Kein besonderer Grund. Sind Sie sicher, daß es Montag war?«
»Ganz sicher. Er hat angerufen und einen Tisch bestellt – hier drinnen sind ja nicht so viele, und es ist nicht immer einer frei. So, und jetzt frage ich Sie gar nicht erst, was Sie zum Nachtisch haben wollen –« Sie lächelte, die Hände in die breiten Hüften gestemmt, über denen ihr sauberer Kittel sich spannte – »ich habe nämlich eine torta della nonna gemacht.«
»Ah, Signora Tozzi, Sie sind fabelhaft.«
»Ich glaube nicht …«, meinte Guarnaccia.
»Aber, Guarnaccia! Sie haben nicht richtig gelebt, bevor Sie nicht Signora Tozzis torta della nonna probiert haben – geben Sie ihm reichlich! Ohne Saft keine Kraft!«
Sie schnitt ihnen zwei große Stücke ab und stand lächelnd dabei, während sie aßen. Der Maresciallo mußte aufrichtig und mit vollem Mund zugeben, daß die Torte hervorragend war.
»Und jetzt noch einen kleinen Likör zum Kaffee«, schlug die Besitzerin freudestrahlend über die Begeisterung vor, »das geht auf Rechnung des Hauses.«
»Nein, nein«, wehrte der Maresciallo ab. »Vielen Dank.«
»Nein«, stimmte Niccolini mit unvermitteltem Ernst zu, »man soll nicht übertreiben. Nein, das genügt.«
DerMaresciallostießinnerlicheinenSeufzerder Erleichterung aus.
»Oder vielleicht einen Grappa? Ein Gläschen von diesem besonderen Grappa, den Sie neulich probiert haben? Es ist noch etwas in der Flasche.«
»Tja, also, das ist schon etwas anderes.« Niccolinis Gesicht hellte sich auf. »Ein Gläschen Grappa hat noch keinem geschadet.«
»Gut gesagt«, erklärte eine kräftige Stimme direkt hinter Guarnaccia. »Bringen Sie den Herren die Flasche. Sie sind meine Gäste.«
»Ah, Signor Robiglio …« Die Wirtin zog hastig den Dessertwagen beiseite. »Tja, wo setze ich Sie denn hin – es ist kein einziger Tisch frei.«
»Keine Sorge, Signora, keine Sorge. Alles zu seiner Zeit. Sicher gibt es bald Platz, und mit Maresciallo Niccolinis Erlaubnis setze ich mich inzwischen ein bißchen hierher.«
»Bitte, gern, tun Sie sich keinen Zwang an.«
Niccolinis Stimme klang laut und herzlich wie immer, aber unter dem scheinbaren Enthusiasmus lag eine Tonlosigkeit, die den Maresciallo veranlaßte, seine großen Augen eher auf ihn als auf den Neuankömmling zu richten, bis letzterer die
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