Tod in Florenz
Aufmerksamkeit auf sich lenkte, indem er sich vorstellte.
»Ernesto Robiglio. Sehr erfreut.«
»Guarnaccia.«
Robiglio, ein kräftiger Mann mit großflächigem Gesicht, wirkte auf den ersten Blick lässig gekleidet mit seinem dunklen Seemannspullover, doch der Maresciallo, kein Experte in Sachen Mode, registrierte das gut sichtbar angebrachte Designeremblem darauf und das Hemd und die Seidenkrawatte darunter.
»Das bedeutet doch wohl keine Wachablösung, nehme ich an?« Robiglio sah von Guarnaccia zu Niccolini. »Sie verlassen uns doch nicht etwa?«
»Nein, ganz und gar nicht – Maresciallo Guarnaccia hier ist nur zu Besuch.«
»Ach ja? Ein besonderer Grund?«
Der Maresciallo spürte Niccolinis Zögern, bevor er, wie vorhin Guarnaccia, meinte: »Vielleicht ja, vielleicht auch nein …« Niccolini konnte diesen Mann ganz offensichtlich nicht leiden.
Signora Tozzi kam mit Kaffee, einer Flasche ohne Etikett und drei Gläsern zurück.
»Nicht für mich. Ich habe noch nicht gegessen.« Robiglio füllte ihre Gläser. »Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen. Als ich Sie nebenan nicht sah, wollte ich eigentlich nach dem Essen auf dem Revier vorbeischauen. Ich habe mir überlegt, daß wir Sestinis Jungen doch nehmen.«
»Also, das ist eine gute Nachricht! Prima. Ich sage Sestini gleich Bescheid. Sie werden es nicht bereuen, er ist ein guter Junge.«
»Da hatte ich nie Zweifel. Wenn Sie jemanden empfehlen, kann ich mich darauf verlassen, daß ich ihn ohne Bedenken nehmen kann.«
»Sie brauchen also doch einen weiteren Lehrling?«
»Um ganz ehrlich zu sein, nein. Aber ich werde ihn schon irgendwie beschäftigen, keine Sorge.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen.«
»Sagen wir, ich kann es mir leisten, gelegentlich großzügig zu sein. In einer kleinen Stadt wie dieser hier sollte eine Firma, die so groß ist wie meine – es ist eine Frage des Verantwortungsbewußtseins … Lassen Sie mich nachgießen. Dieser Grappa ist meiner Erfahrung nach etwas ganz Besonderes. Natürlich kann man nicht ständig großzügig sein, das käme niemandem zugute. Wenn ich zumachen würde, wäre es eine Katastrophe für die ganze Region.«
Letzteres sagte er mit einem gewinnenden Lächeln zu Guarnaccia.
Der Maresciallo beobachtete die beiden schweigend, nahm nicht so sehr ihre Worte auf, die zustimmend und liebenswürdig waren, sondern eher den Tonfall, Robiglios aggressiven Charme und Niccolinis Zurückhaltung. Er starrte sie weiter an, während das Gespräch sich um Namen, Familien und Firmen drehte, von denen der Maresciallo noch nie gehört hatte. War Robiglio wirklich Millionär, wie Berti gesagt hatte, als er seinen Wagen vor der Einfahrt des großen Hauses mit den sieben Klosetts wendete? Oder war das nur so eine Übertreibung? Er sah, daß Niccolini unruhig wurde, als wolle er aufspringen und hinauslaufen. Er machte zwar weiter seine fröhlichen Bemerkungen, doch sie wurden immer knapper und belangloser, bis er schließlich aufstand, als Robiglio mitten in einem Satz war.
»Gut. Prima. Kommen Sie, Guarnaccia, wir müssen los, und Signor Robiglio kann hier sitzen bleiben und essen.«
»Die Rechnung …«, meinte der Maresciallo.
»Ein andermal, ein andermal. Nett, daß wir uns getroffen haben. Und nochmals vielen Dank, daß Sie den Jungen nehmen. Alles Gute.« Und mit langen Schritten eilte er hinaus, ohne sich zu vergewissern, ob der Maresciallo ihm nachkam.
Sein Abschied von den Tozzis war fast ebenso abrupt, und erst als sie vor dem Restaurant standen, schlug er eine andere Gangart an und sagte: »Tut mir leid, Guarnaccia. Sie hätten vielleicht gern noch einen Kaffee getrunken.«
»Schon gut.«
»Ich kann mit diesem Mann einfach nicht.«
»Das habe ich gemerkt.«
»Haben Sie?«. Niccolini sah ihn erstaunt an. »Ich bin kein Mensch, der sich mit anderen anlegt, warum sollte ich? In so einer kleinen Stadt … und er ist ein großes Tier hier.«
»Das sagte er.«
»Ich behalte meine Meinung gern für mich. Das muß ich. Glauben Sie, daß er etwas gemerkt hat?«
»Vielleicht nicht …« Der Maresciallo dachte, daß Robiglio blind und taub sein müßte, um Niccolinis Abneigung nicht zu spüren, aber er mochte es nicht sagen. Niccolini schien so überzeugt von seiner eigenen Feinfühligkeit.
»Na ja, es kratzt mich nicht.«
»Nein.«
»Das Entscheidende ist, mit allen gutzustehen, aber was zum Teufel – sind Sie sicher, daß er nichts gemerkt hat?«
»Na ja …«
»Nein, nein. Man muß eben nur höflich
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