Tod in Florenz
bleibt abzuwarten, ob wir auch den finden, der sie umgebracht hat. Das wird vielleicht nicht so einfach. Nun, der eine oder andere Heilige wird uns schon beistehen.«
»Hoffen wir’s.« Was hatte der Capitano ihm gesagt? War Niccolini, wenn auch herzlich wie immer, nicht ein bißchen verlegen? Der Maresciallo hatte nicht vor, sich unnötig einzumischen, aber er konnte nicht anders, es faszinierte ihn. Sein Blick wanderte nach rechts zu der schimmernden Hitze um den schwarzen Schornstein.
»Gehört es ihm? Alles?«
»Moretti? Nein, nein. Das ganze Land ringsum gehört zu Robiglios Anwesen. Moretti hat dieses Areal von ihm gepachtet, inklusive des Grundstücks, auf dem die Fabrik steht. Die Wiesen mit den Obstbäumen da drüben gehören dem Mann, der die Leiche gefunden hat. Er wollte gerade die Bäume beschneiden. Der Scherbenhaufen gehört natürlich Moretti, obwohl alle möglichen Leute dort allerhand sonstigen Krempel abladen, den sie loswerden wollen.«
»Auch unser Freund Berti?«
»Nein, Berti nicht. Obwohl er hier brennt und alles, was von seinen Sachen unbrauchbar oder zerbrochen ist, hier mit drauf geworfen wird.«
Sie schwiegen ein Weilchen und sahen den Männern zu, die den Scherbenhaufen weiter durchsuchten.
»Keine Zuschauer«, bemerkte der Maresciallo.
»Die habe ich als erstes weggeschickt. Ich muß sagen, das hatte ich nicht erwartet. Wo immer das Mädchen auch gelandet wäre, ich hätte nicht gedacht … Seit ich hier bin, habe ich, bis auf ein oder zwei Einbrüche, noch keinen ernsten Fall gehabt, nie so etwas wie dies. Tja, da haben wir’s. Es tut mir leid, wirklich leid. Nun ja!« Er schlug seine großen Hände zusammen. »Dann fangen wir besser mal an. Sie helfen uns, wenn ich das recht verstehe.«
Er lächelte breit, aber war da nicht derselbe Unterton angestrengter Begeisterung, wie ihn der Maresciallo in dem Gespräch mit Robiglio bemerkt hatte? Guarnaccias Glupschaugen mieden den Blick des Kollegen.
»Ich werde von meinem Ende aus alles tun, was ich kann. Zumindest kann ich einige Informationen über das Mädchen von ihrer Wohnungsgenossin für Sie bekommen, von der Schule, die sie besucht hat, und so weiter –«
»Was? Nein! Ich habe es so verstanden, daß Sie mir hier zur Hand gehen sollen. Direkt hier, vor Ort! Erzählen Sie mir nicht, daß Sie keine Zeit für mich haben. Kommen Sie, niemand ist unentbehrlich. Ich zähle auf Sie.« Er war sichtlich verärgert, doch gleichzeitig wild entschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er ging sogar so weit, dem Maresciallo herzlich auf den Rücken zu klopfen.
»Gehen wir. Sie werfen besser mal einen Blick auf das Mädchen, auch wenn es kein schöner Anblick ist.«
Der Maresciallo ließ sich von Niccolini zu dem Tonscherbenhaufen führen. Er bemühte sich, seinen Gang den langausgreifenden Schritten seines Kollegen anzupassen, war aber zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um dessen unvermeidlichem Monolog zu folgen, bis er merkte, daß es um ihn ging.
»Wir haben sogar in Rom davon gehört. Natürlich, ein international gesuchter Gauner dieses Kalibers, alle wußten davon, wenn mir auch damals nicht klar war, daß Sie es waren, der ihn für den Mord an dieser Deutschen gefaßt hat.«
»Ich habe ihn nicht gefaßt«, berichtigte Guarnaccia, den es irritierte, daß solche wirren Geschichten über ihn in Umlauf waren. »Er ist gestorben –«
»Hier wären wir …« Inzwischen hielt nur noch ein junger Mann in Uniform neben der zugedeckten Gestalt Wache.
»Sie können gehen, mein Junge. Wir bleiben hier, bis der Krankenwagen kommt.«
»Er ist schon da. Er hat vor der Fabrik geparkt, weil man nicht näher heranfahren kann und sie sowieso mit der Bahre kommen müssen. Der Vertreter des Staatsanwalts ist eben hingegangen, um ihnen zu sagen, daß man sie jetzt holen kann.«
»Dann laufen Sie. Fahren Sie mit den anderen im Wagen zurück.«
»Und Sie?«
»Maresciallo Guarnaccia nimmt mich mit – Sie sind doch heute mit dem Auto hier?«
Der Maresciallo nickte, und der junge Mann ging, nachdem er grüßend an seine Mütze getippt hatte, in gebührendem Abstand um die Plane herum, ohne nach unten zu schauen. Wahrscheinlich hatte er es irgendwie fertiggebracht, die ganze Zeit über keinen Blick auf die Leiche zu werfen.
»Militärdienst?« fragte der Maresciallo.
»Genau. Und wir können wetten, daß über kurz oder lang seine Mutter anruft und verlangt, daß ich ihn aus so etwas heraushalte. Aus guter Familie, Sie
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