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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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dem Schlafzimmer hatte sich verändert. Das Mädchen sprach jetzt, unzusammenhängend zwar, aber unter richtigen Tränen, wie es sich anhörte, und das war gut. Der Maresciallo wanderte im Zimmer herum und betrachtete die Postkarten auf dem Kaminsims. Das meiste waren offenbar Schweizer Ansichten. Weshalb wollte Robiglio wohl in die Schweiz fahren? Tozzis Worten nach zu urteilen, tat er das recht häufig, und Niccolini hatte sofort einen Zusammenhang mit dem toten Mädchen gewittert. Doch durfte man das Naheliegende auch nicht übersehen … Der junge Mann kam ins Zimmer zurück.
    »Sie hat sich ein bißchen beruhigt.«
    »Trotzdem braucht sie vielleicht heute ein Beruhigungsmittel für die Nacht. Hat sie hier einen Hausarzt?«
    »Ich bin nicht sicher, aber ich glaube nicht. Ich könnte meinen rufen.«
    »Sie kennen die beiden Mädchen schon länger?«
    »Mehr oder weniger seit sie hier sind, seit ich an der Schule unterrichte.«
    »Dann können Sie mir vielleicht helfen. Ich fürchte, die Signorina wird dazu noch nicht in der Lage sein.« Sie hörten immer noch ihre Schluchzer, die gedämpft klangen, wahrscheinlich durch das Bettzeug.
    »Wenn Sie glauben, daß ich Ihnen etwas Nützliches sagen könnte – aber wenn Sie mir vielleicht zuerst sagen würden, was Monika nun genau zugestoßen ist …«
    »Sie ist erwürgt worden. Um es technisch richtiger zu sagen, erstickt. Es könnte davor einen Vergewaltigungsversuch gegeben haben, aber das wissen wir erst nach der Autopsie genau.«
    »Können wir uns bitte hinsetzen?« Das Gesicht des jungen Corsari war weiß, und er schien wie betäubt, obwohl er sich gut unter Kontrolle hatte. »Wo …«
    »Wo es passiert ist? Sie wurde in der Nähe einer Terrakottafabrik gefunden, wo sie am Montag eigentlich arbeiten wollte.«
    »EineFabrik…?Abersiehatdochbeieinem Kunsthandwerker gearbeitet oder so etwas?«
    »Ja, aber offenbar ist sie ziemlich oft zu dieser Fabrik gegangen, um an der Töpferscheibe zu üben.«
    »Das wußte ich nicht …«
    »Es war ja auch nicht so wichtig bisher. Sie kennen sie offenbar gut, könnten Sie mir da vielleicht erklären, was Signorina Stauffer gemeint hat, als sie sagte: ›Ich habe sie gewarnt‹?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
    Corsari betrachtete einen Moment seine Hände, dann blickte er dem Maresciallo ins Gesicht, als wolle er dessen Verständnisfähigkeit taxieren. Der Gesichtsausdruck des Maresciallo verriet ihm nichts.
    »Genaugenommen ist es wohl eine Frage der Persönlichkeit …«
    »Wessen?«
    »Monikas natürlich. Elisabeth – nun, Sie haben sie ja selbst gesehen.«
    »Sie ist nicht sehr entgegenkommend.«
    »Man muß sie kennen. Viele Leute halten sie für mürrisch oder unfreundlich, aber das stimmt nicht. Sie ist unheimlich schüchtern, doch wenn man sich einmal ihr Vertrauen erworben hat – aber eigentlich wollen Sie ja etwas über Monika wissen. Sie ist genau das Gegenteil, sehr aufgeschlossen und herzlich – ich sollte wohl eher in der Vergangenheitsform von ihr reden, oder? Aber es ist schwierig … ich habe das Gefühl, sie könnte jeden Moment zur Tür hereingestürmt kommen. Sie hatte eine Art, das Haus mit Leben zu füllen …« Er sah sich im Zimmer um. »Es ist so still ohne sie, es kommt einem vor, als fehlte ein halbes Dutzend Menschen und nicht nur einer. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich verstehe.«
    »Dann können Sie sich vorstellen, daß sie Menschen angezogen hat.«
    »Besonders Männer?«
    »Darauf will ich hinaus, aber ohne Mißverständnisse hervorzurufen …«
    »Reden Sie weiter.«
    »Ich kann nicht genau sagen, ob ich selbst sie richtig verstanden habe, obwohl ich sie schon so lange kenne und in der Lage war – sie war liebenswürdig und herzlich zu allen, verstehen Sie, und Elisabeth meinte, das sei nicht richtig. Es ist natürlich auch eine Frage der verschiedenen Kulturen. Ich bin viel in Nordeuropa herumgekommen und weiß, daß herzliche Freundschaften zwischen Männern und Frauen möglich, ja sogar normal sind, ohne daß etwas anderes ins Spiel kommt. Hier ist das nicht so. Wenn ein Mädchen einem Mann herzliche Freundschaft anbietet, wird er dieses Angebot in der Regel ganz anders auslegen. Elisabeth fand, und ich pflichtete ihr bei, daß Monika ihr Verhalten den Gebräuchen des Landes anpassen sollte, in dem sie lebte.«
    »Das scheint mir vernünftig.«
    »Monika wollte es nicht akzeptieren. Sie sagte immer, so sei sie eben, es mache ihr Spaß, und sie

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