Tod in Florenz
habe keine Lust, sich unterdrücken zu lassen. Sie haben oft darüber gestritten, manchmal heftig.«
»Sie glauben nicht, daß Signorina Stauffer vielleicht einfach ein bißchen eifersüchtig war, wenn man bedenkt, daß sie selbst nicht diese Gabe hatte, so leicht Freunde zu gewinnen?«
»Natürlich war sie eifersüchtig. Zwangsläufig.«
Eine Frage der Persönlichkeit. Eine Frage kultureller Unterschiede. Wann kam dieser junge Mann endlich zum Wesentlichen? Der Maresciallo betrachtete ihn. Er mochte fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig sein und sah gut aus. Er schien intelligent und kultiviert. Der Maresciallo beschloß, ihn zum Wesentlichen zu bringen, denn er hatte schon begriffen, worum es ging.
»Waren Sie selbst Opfer eines solchen Mißverständnisses, hervorgerufen durch die Persönlichkeit der jungen Dame und diese kulturellen Unterschiede?«
Corsari errötete. »Ja, ich nehme an, das war ich, wenn ich das Wort Opfer auch für etwas stark halte.«
»Wie Sie meinen. Sie sind aber jedenfalls Freunde geblieben?«
»Sicher. Es gab keinen Grund, warum ich die beiden deswegen als Freunde aufgeben sollte.«
»Und dann haben Sie Signorina Stauffer besser kennengelernt und Ihre Zuneigung auf sie übertragen, ist es das?«
»Ich habe Elisabeth sehr gern«, sagte er schlicht. »Aber Sie dürfen nicht glauben, daß ich irgend etwas gegen Monika hatte, weil es so gelaufen ist. Ich sagte ja schon, daß ich nicht sicher war, ob ich sie richtig verstand, und das stimmt. Selbst hinterher, als ich nicht mehr das war, was Sie Opfer nennen, habe ich bei anderen Männern dasselbe beobachtet, ohne je ganz sicher zu sein, ob sie es in aller Unschuld tat, oder ob es nicht eher so etwas wie … ich weiß nicht, wie ich es nennen soll …«
»Arglist?«
»Das ist zu hart …«
Die schlichteste Ausdrucksweise schien zu hart für ihn. Der Maresciallo revidierte seinen ersten guten Eindruck von dem jungen Mann, weil er merkte, daß er zwar sehr charmant war, aber eigentlich nicht so recht männlich. Es war nichts an ihm, womit man sich auseinandersetzen konnte.
»Vielleicht wußte sie es selbst nicht«, war sein einziger Kommentar.
Corsaris charmante Augen hellten sich auf. »Wissen Sie, ich glaube, Sie haben recht. Jedenfalls konnte man es nicht arglistig nennen. Man kann höchstens sagen, daß sie gern ein bißchen herumgeneckt hat.«
»Dann hat irgend jemand es nicht gut gefunden, ein bißchen geneckt zu werden.«
»Sie meinen, das ist der …«
»Was sollte ich sonst meinen? Jemand hat sie umgebracht!«
»Aber aus dem Grund würde doch keiner so weit gehen, jedenfalls kein normaler Mensch!«
»Dann ist eben zufällig einer gekommen, der nicht normal war. Sie haben selbst gesagt, daß sie sich jedem gegenüber so verhalten hat. Vielleicht wurde die Sache noch durch weitere Faktoren verschärft, Eifersucht eines anderen Mannes zum Beispiel, – ich gehe davon aus, daß unter allen diesen Männern, die sie gern ein bißchen geneckt hat, einer oder zwei waren, die bei ihr Erfolg hatten?«
»Nein, nein, so weit ging es nie. Sie hat höchstens mal einen hierher zum Essen eingeladen, und dann wurde bald klar, daß ihr Angebot nicht weiter ging, sie kamen dann entweder nicht wieder oder haben ihre Erwartungen geändert.«
»Wie Sie?«
»Ja. Es tut mir leid, daß ich Ihnen wohl trotz allem ein falsches Bild von ihr vermittle. Es war alles ganz harmlos. Monika war ein entzückendes Mädchen und hochintelligent.«
»Kann ich Ihre Anschrift haben?«
»Natürlich. Ich schreibe sie Ihnen auf.«
Er stand auf und ging zu einem kleinen Tischchen in der Ecke, in dessen Schublade Schreibutensilien waren. Ganz offensichtlich kannte er sich hier gut aus. Der Maresciallo erhob sich und wartete. Aus dem Schlafzimmer drangen keine Geräusche mehr, und er überlegte, ob das Mädchen sich vielleicht mit Weinen erschöpft hatte und eingeschlafen war.
»Hier. Ich habe auch meine Telefonnummer in der Schule aufgeschrieben, da ich den größten Teil des Tages dort zu erreichen bin.«
»Sie könnten mir auch Monika Heers Heimatanschrift und Telefonnummer geben, wenn Sie wissen, wo Sie danach suchen müssen …«
»Natürlich. Sie müssen ja ihre Eltern benachrichtigen …«
»Ja.«
»Sie müßte hier irgendwo sein.« Er zog eine oder zwei weitere Schubladen auf, fand, wonach er suchte, und notierte die zweite Anschrift auf denselben Zettel.
»Vielen Dank. Ich mache mich dann auf den Weg.«
Sie gingen an der halboffenen
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