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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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konnte er sehen, daß sie schon geweint hatte, und er war alles andere als erpicht darauf, ihr zu sagen, was er ihr sagen mußte. Stumm führte sie ihn in ein kleines Wohnzimmer. Die meisten Möbel waren holzwurmzerfressen und antik, offensichtlich gehörten sie in die Wohnung, wenn auch vieles auf die weiblichen Bewohner hinwies: Blumentöpfe auf einem kleinen Tischchen am Fenster, eine Reihe von Postkarten auf dem Kaminsims, ein ordentlich zusammengelegter rosa Pullover über einer Stuhllehne. Ein junger Mann saß auf dem zerschlissenen Samtsofa mitten im Zimmer, und in der Luft hing Zigarettenrauch. Der Maresciallo hatte das Gefühl, ein intimes Gespräch unterbrochen zu haben, zweifellos über die vermißte Freundin. Der junge Mann stand auf.
    »Ist es wegen Monika?«
    Der Maresciallo sah von ihm zu dem Mädchen und wartete darauf, vorgestellt zu werden.
    »Mein Name ist Corsari«, sagte der junge Mann, da das Mädchen immer noch nicht sprach, sondern nur dastand und nervös an ihren Fingern zog. »Ich unterrichte an der Schule …«
    »Ah ja.« Und da niemand sich bewegte oder ihm einen Stuhl anbot, schlug der Maresciallo selbst vor: »Wollen wir uns nicht setzen?« Er nahm sich den Stuhl mit dem Pullover darüber, balancierte seine Mütze auf den Knien und versuchte, den gespannten Blicken auszuweichen, die sich auf ihn richteten. »Ich fürchte, es sind schlechte Nachrichten.«
    Ohne die beiden direkt anzusehen, merkte er, wie das Mädchen erstarrte und scharf die Luft einsog, der junge Mann rutschte auf dem Sofa näher an sie heran und legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Ich habe gewußt, daß ihr etwas zugestoßen ist, ich habe gewußt, daß …«
    »Versuchen Sie ruhig zu bleiben, Signorina.« Der Maresciallo war nicht wenig dankbar für die Anwesenheit des jungen Mannes. »Ich muß Ihnen leider sagen, daß Ihre Freundin tot ist, und wir brauchen Ihre Hilfe –«
    »Ich habe sie gewarnt! Ich habe ihr gesagt, daß sie aufpassen soll!«
    »Aufpassen auf was? Dachten Sie, daß sie da draußen in Gefahr sei?«
    »Was soll ich jetzt tun? Was soll ich nur tun?«
    Sie saß kerzengerade auf dem Sofa und zitterte so heftig, als wolle sie gleich explodieren, aber es kam keine Explosion. Sie sackte plötzlich in sich zusammen und stieß ein tiefes Heulen aus, das mehr wie bei einem Tier als bei einem Menschen klang.
    »Was soll ich tun? Hilf mir …« Sie fiel mit geschlossenen Augen aufs Sofa zurück, und ihr Körper erbebte von einem tiefen, lauten Seufzer, der zu einem trockenen Schluchzer wurde, gefolgt von weiteren, die immer schneller kamen.
    Der Maresciallo stand auf. »Bleiben Sie bei ihr. Ich hole ihr ein Glas Wasser – wo ist die Küche?«
    »Da durch …«
    Er brachte das Wasser und reichte es dem jungen Mann, der sich bemühte, sie ruhig zu halten. Ihr Körper bäumte sich auf, und ihre Augen hinter den dicken Brillengläsern blickten starr nach oben zu Guarnaccia, als wolle sie immer noch sagen: »Hilf mir.«
    »Ich glaube, sie sollte sich hinlegen«, war alles, was ihm an Hilfreichem einfiel. »Achten Sie darauf, daß sie gut zugedeckt ist, sie muß sich warmhalten …«
    Es gelang dem jungen Mann, sie auf die Füße zu stellen, aber er mußte sie halb tragen, weil ihre Beine so zitterten, daß sie sich nicht darauf halten konnte.
    »Reden Sie ein bißchen mit ihr«, murmelte der Maresciallo, als sie an ihm vorbei durch die Tür gingen. »Es ist besser, wenn sie sich richtig ausweinen kann …«
    Dann trat er ans Fenster, stand bei den Pflanzen und starrte auf das Haus gegenüber, das in dieser schmalen Straße nur ein paar Meter entfernt war. Eine Frau hängte Wäsche auf einen Draht, der mit einem Flaschenzug an der abbröckelnden Hauswand befestigt war. Immer wenn sie ein Stück festgeklammert hatte, zog sie an dem Draht, der darauf laut quietschte. Sonst war es ganz still auf der Straße, und er konnte das Gemurmel des jungen Mannes hören, unterbrochen von den Schluchzern des Mädchens. Wie hatte Robiglio es genannt? ›Eine unglückselige Geschichte.‹ Nun, das war es ganz gewiß. Unter ihm gingen zwei Frauen mitten auf der schmalen Straße, da die Bürgersteige mit parkenden Autos verstellt waren. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, daß ein entgegenkommender Mopedfahrer sie beinahe umfuhr. Eine der Frauen drehte sich um und rief ihm nach: »Paß auf, wo du hinfährst, du Trottel, du!« Der Junge antwortete mit einer rüden Geste und fuhr ein bißchen wackelig weiter.
    Das Geräusch aus

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