Tod in Florenz
den Ofen anwerfen?«
»Ja.«
»Guarnaccia!«
Sie mußten den Gegenverkehr anhalten, um auf die andere Straßenseite laufen zu können. Es hätte länger gedauert, den Wagen zu wenden. Sie rannten schweigend zurück, der Maresciallo schnaufend im Schlepptau Niccolinis, den er erst auf den Stufen zur Terrasse einholte.
Es war niemand im Brennraum, und sie konnten keine Zeit damit vertun, jemanden zu suchen. Niccolini drehte alle Gashähne zu, die er sah, und begann mit seinen behandschuhten Händen die mit Backsteinen verbarrikadierte Tür freizulegen. Die Backsteine waren nicht mit Ton verbunden, und sie waren kaum warm.
»Wieder brennen! Er hat nichts fertig zum Brennen außer dem, was er verstecken will. Holen Sie Wasser!«
In dem Raum gab es keinen Wasserhahn, und der Maresciallo eilte in den nächsten, in der Hoffnung, dort ein Waschbecken zu finden. Dort saß der schweigsame Mann, der allein an der Scheibe arbeitete, die Füße tief in dunkelroten Tonstreifen. Es war, als hätte er sich nicht gerührt, seit der Maresciallo das letzte Mal hier durchgekommen war. Er rührte sich auch jetzt nicht, folgte ihm aber mit den Augen, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Beeilen Sie sich!« Niccolinis dröhnende Stimme hallte in dem hohen Raum wider.
Der einzige Eimer, den der Maresciallo finden konnte, hatte einen roten, matschigen Bodensatz, aber er füllte ihn trotzdem mit Wasser und schleppte ihn in den Brennraum. Niccolini griff danach und spritzte das Wasser durch die Öffnung, die er gemacht hatte. Er hustete in dem herausströmenden Dampf und Rauch.
Als sie nahe genug herankamen, räumten sie weitere lose Backsteine weg, um ans Innere zu gelangen.
»Was es auch sein mag«, meinte Niccolini, als sie ins Halbdunkel auf die dampfende Mulde in der Mitte des Ofens starrten, »es ist nicht das Kleidungsstück, das uns fehlte, wie ich erwartet hatte.«
»Nein …«
Es war keine Kleidung. Das meiste war verbrannt, aber der Rest war leicht genug zu identifizieren, trotz des schlammig roten Wassers, das alles verfärbte: Es war ein Stapel Banknoten.
Der Maresciallo wanderte langsam in dem Korridor auf und ab, in der Hand eine Kaffeetasse. Es war bereits fünf Uhr vorbei, und jemand hatte kurz zuvor das Licht angeschaltet, ohne daß er es bemerkt hatte. Jedesmal, wenn er an der Tür zu Niccolinis Büro vorbeikam, hörte er die Stimme des Capitano, ernst und eindringlich, gelegentlich unterbrochen von Niccolinis erregteren Tönen, aber nur selten durch eine Antwort von Moretti. Hinter der nächsten Tür war eine hitzigere Debatte im Gang zwischen den Beamten von der Steuerfahndung, die eben angekommen waren, und Robiglio mit seinem Anwalt. Der Maresciallo nahm die Stimmen wahr, während er an den Türen vorbeiging, aber er hörte nicht hin. Jeder, der ihn so langsam auf und ab gehen sah, die großen Augen auf den leeren Gang vor sich gerichtet, hätte gesagt, daß er in tiefes Nachdenken versunken sei. Tatsächlich jedoch war sein Hirn leer. Es hatte aber sowieso niemand Zeit, ihn zu beobachten, da das kleine Revier seit seinem Bestehen noch nie so viel Hektik erlebt hatte wie in den letzten Stunden. Wenn jetzt alles ruhiger schien, dann nur, weil Robiglio, wahrscheinlich auf Anraten seines Anwalts, etwas Vernunft angenommen hatte, bevor der Capitano mit zwei Beamten der Steuerfahndung aus Florenz eintraf und auf den neuesten Stand gebracht war. Davor hatte Niccolini den Fehler begangen, mit Robiglio und Moretti gleichzeitig über das Bündel Banknoten zu reden. Als Robiglio klar wurde, daß das Geld verbrannt worden war, hatte er sich auf den kleinen Moretti gestürzt und ihn bösartig aufs Auge geschlagen, bevor jemand ihn abhalten konnte. Danach hatte man sie getrennt warten lassen, und Moretti, dessen Wange inzwischen bandagiert war und dessen neue Wunde an der Augenbraue leicht blutete, hatte begonnen Niccolini und Guarnaccia gegenüber auszupacken, allerdings nur insofern, als er versuchte, Robiglio zu belasten und sich selbst reinzuwaschen. Er gab zu, daß Robiglio ihn gebeten hatte, das Geld auszuführen, das aus illegalem Spiel stammte, und daß Robiglio es sich holen wollte, sobald es die Grenze passiert hatte. Er hatte sogar erklärt, daß es unter Stroh in den gekennzeichneten Topf gepackt werden sollte, der dann nie aufgeladen worden war.
»Warum nicht?«
»Weil Ihre Leute gekommen sind und sich direkt davorgestellt haben.«
»Sonst hätten Sie getan, was er wollte?«
»Nein!«
»Kommen Sie,
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