Tod in Florenz
aber ein weißer Mercedes stand vor dem Haus.
»Ist das sein Wagen, sein einziger?«
»Nein, er hat noch einen kleinen, den seine Haushälterin meist fährt, wenn sie einkauft und dergleichen.«
Der Maresciallo stieg aus und drückte auf die Klingel neben dem Tor, dann beugte er sich ein bißchen nach vorn, um sein Ohr an die Sprechanlage darunter zu legen.
»Ja?«
»Ist Signor Robiglio zu Hause?«
»Ja. Wen soll ich melden?«
»Schon gut.«
Er richtete sich auf und stieg wieder ein. Am Ende der Auffahrt sahen sie die Haushälterin die Tür aufmachen und zum Tor hinunterschauen.
»Er ist immer noch da«, sagte der Maresciallo. »Er hat so viel Wert darauf gelegt, uns wissen zu lassen, daß er heute vormittag in die Schweiz fährt, und jetzt ist er immer noch da.«
»Hat sich anders entschlossen«, meinte Niccolini, »oder es ist ihm was dazwischengekommen.«
»Dieser Laster vor Morettis Terrasse war so gut wie fertig beladen, als ich heute morgen vorbeigefahren bin, das war vor dreieinhalb Stunden. Und er ist auch noch da.«
»Und was heißt das alles?«
»Ich weiß es nicht. Fahren Sie wieder zu Moretti rüber.«
Der Maresciallo gab keine Erklärung, und sein Gesicht hinter der Sonnenbrille war ausdruckslos. Einige Sekunden später standen sie wieder hinter dem Laster.
»Gehen wir rein?« Niccolini hatte angesichts dieser neuen Version von Guarnaccia seine überschäumende Energie verloren. Er beschwerte sich nicht einmal, als er keine Antwort erhielt. Sie blieben sitzen, und der Verkehr auf der Straße brauste an ihnen vorbei.
Nach einer Weile seufzte der Maresciallo und murmelte vor sich hin: »Ich weiß nicht …«
»Was machen wir?« Niccolinis Finger trommelte wieder auf das Lenkrad.
»Warten Sie, ich nehme an …«
»Warten worauf? Wir können doch hier nicht den ganzen Tag warten!«
Aber sie hatten noch nicht lange gewartet, als Moretti auf der Terrasse über ihnen erschien. Er blieb stehen und starrte nur ein paar Sekunden herunter, doch der Maresciallo war froh, daß er ihn sich auf diese Weise mit anderen Augen ansehen konnte, und er versuchte sein Bild von dem zu klein geratenen, aber frühreifen Waisenkind der Vergangenheit mit dem gehetzten und abweisenden Mann von heute in Einklang zu bringen. Es war nicht schwer, selbst in der kurzen Zeit nicht, bevor er wieder verschwand und die Terrasse bis auf den hohen bauchigen Topf, der an der Mauer Wache zu halten schien, verlassen dalag.
Der Maresciallo sah sich um. Links die hohe schwarze Mauer vor der Bahnlinie. Rechts die Fabrik und dahinter ein offenes Feld mit dem Tonscherbenhaufen. Er runzelte die Stirn.
»Gibt es in der Nähe irgendwo ein Plätzchen, von wo aus wir die Fabrik hier beobachten können?«
Auch Niccolini sah sich um, kam aber zu demselben Schluß wie der Maresciallo. »Wenn Sie ein Plätzchen meinen, von wo aus wir beobachten können, ohne gesehen zu werden, nein.«
»Hm. Und Robiglios Haus?«
»Robiglios? Aber was …«
»Können wir sein Anwesen beobachten, ohne daß man uns sieht?«
»Vielleicht von der Via del Fosso aus –«
»Geben Sie Ihren Leuten ein Zeichen, uns zu folgen.« Niccolini wendete, suchte nach einer Lücke im Verkehr und hupte, sobald er den Mannschaftswagen hinter dem Laster sah. Die Lücke kam, und beide Wagen setzten sich in Bewegung, wendeten und fuhren an den großen Toren vorbei.
Die Via del Fosso war ein schmales Sträßchen, das ein ganzes Stück hinter Robiglios Haus rechts abging und dann bald in einer Biegung steil vom Haus wegführte. Sie mußten zwei- oder dreimal anhalten, bis sie einen Punkt gefunden hatten, von wo aus sie die Hinterseite des Hauses und die Eingangstore gleichzeitig sehen konnten.
»Ist Ihnen das recht?« wollte Niccolini wissen.
»Ja, aber lassen Sie uns die Autos weiter vorfahren und zu Fuß zurückgehen. Er ist nicht dumm und sieht vielleicht selbst auf diese Entfernung etwas.«
Der Maresciallo blieb, wo er war, während die anderen die Autos versteckten; er stand etwas vorgebeugt, die großen Hände breit auf ein niedriges Steinmäuerchen gestützt. Von oben gesehen wirkte Robiglios Haus größer, als die Fassade erahnen ließ. Guarnaccia schaute auf die belebte Straße hinunter, die daran vorbeilief, und auf die Bahnlinie, die dahinter im Bogen auf die Stadt zuführte. Zwischen beiden war Raum für einen relativ großen Garten und ein schmales Feld.
»Dennoch«, murmelte der Maresciallo vor sich hin, »es ist keine sonderlich attraktive Lage für so
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