Tod in Garmisch
beachteten Magdalena nicht.
Plötzlich hörte sie ein wohlbekanntes
metallisch-schabendes Geräusch. Es kam durch die Spalten der Scheunenwand neben
ihr. Jemand schärfte eine Sense. Sie pirschte weiter und spähte ums Eck auf den
Hof. Hier war niemand zu sehen. Großvaters Lada war nicht da, was sie sehr
erleichterte, und auch Reserls Fiat fehlte.
Also war Hias in der Scheune. Die Frage war, ob er das
Tor offen gelassen hatte oder nicht. Magdalena schlich an der Scheunenwand
entlang zum Hof. Das Schleifgeräusch verstummte so plötzlich, wie es begonnen
hatte, kurz darauf begann es erneut. Magdalena erreichte die nächste Ecke und
lugte auf den Hof.
Der linke Flügel des Scheunentors stand halb offen,
der rechte war zu. Das ergab einen Weg zum Haus, auf dem Hias sie nicht
entdecken würde, sie musste sich nur weit genug außen halten. Sie wollte gerade
losschleichen, als das Schleifgeräusch erneut aufhörte.
»Was schleichst hier ummanand, Lenerl?«, hörte sie
Hias’ ruhigen Bass fragen.
Magdalena ließ enttäuscht die Schultern sinken.
Verdammt, er kann mich nicht gesehen haben, dachte
sie. Sie drehte um und betrat die Scheune.
»Durchs Untahoiz bist brocha wia a kranke Wuildsau«,
sagte Hias. »Schlimma no ois frira, wennst aufd Nacht hoamkimma bist.« Hias
prüfte die Klinge der Sense mit dem Daumen, dann wetzte er sie noch drei-, viermal
mit dem Stein, hängte sie zu den anderen an den Balken neben der Leiter und
nahm sich die nächste herunter.
»Bist zwegs da Flintn kimma«, stellte er fest und
schwang wieder seinen Wetzstein.
»Ja«, sagte Magdalena ärgerlich. Sie fühlte sich
wieder wie als kleines Mädchen. »Musst der Mutter nix sagen. Und dem Großvater
schon gar nicht.«
»Was host vor?«
»Ich weiß noch nicht. Ich nehm sie mit.«
Hias schüttelte den Kopf. »Sie is scho furt.«
»Fort?« Magdalena verstand nicht. »Wir haben sie doch
eingeschlossen!«
»I hob no an Schlüssel ghabt.«
Magdalena verzog den Mund. Es war wohl tatsächlich
naiv gewesen, anzunehmen, sie könne hier auf dem Hof irgendetwas bestimmen.
»Und wo ist sie? Hast du sie dem Großvater gegeben?«
»Naa. Furt is halt.«
»Wo?«
»Braucht koana wissn. Du a ned.«
Er prüfte die Schneide der Sense, dann wetzte er
weiter. »Schäingg schäingg schäingg« machte der Stein auf dem Metall.
»Du weißt, was passiert ist?«, fragte Magdalena. »Dass
sie einen Toten gefunden haben in der Klamm?«
Hias nickte und wetzte.
»Wenn die Polizei hört, dass der Großvater auf
jemanden geschossen hat, dann kommen sie her.«
»Se is weg, d’ Flintn. Da Maiche finds a ned.«
»Und was sag ich, wenns mich fragen?«
Hias zuckte die Schultern. »Sog halt, da Maiche hod’s
in d’ Klamm gworfa.«
Wieder prüfte er die Schneide, und noch immer war er
nicht zufrieden.
»Ich verlass mich auf dich«, sagte Magdalena, und sie
wusste, dass Hias darauf nichts sagen würde.
Sie war gerade wieder aus der Scheune heraus, als der
Lada ihres Großvaters auf den Hof rollte. Maiche stieg aus und sah sie
misstrauisch an.
»Bist zu Fuß droben?«, fragte er.
Magdalena kniff die Lippen zusammen. Schließlich
nickte sie.
Maiches Blick wanderte an ihr hinunter.
»Willst mir d’ Flintn wegnehmen. Wegn dem Toten in der
Klamm.« Er drehte sich um und ging ins Haus. Magdalena folgte ihm widerstrebend
in die Küche.
»Ich hab gedacht, es wär besser. Die Polizei kommt
gewiss hoch.«
»Und was glaubst, was i dene sag? Dass i koa Flintn
hab? Für wie blöd haltst du die? Auslachn tatn die mi doch.«
»Wenn sie kein Gewehr finden, dann können sie auch
nichts beweisen«, sagte Magdalena.
» Was beweisen? Dass i eam umbracht hab?
Glaubst, ich schiaß eam ins Gsicht und merk des ned? Der Mann is no glaufen.
Außerdem war der mindestens dreißig Meter weg, als i gschossen hab. Glaubst, da
bringst oan um, mit Hasnschrot?«
Magdalena setzte sich auf die Ofenbank. Sie lehnte den
Kopf zurück und schloss die Augen. »Ich glaub, es wär einfach besser, wenn hier
keine Flinte im Haus wär«, sagte sie.
Für einen langen Moment herrschte Schweigen. Dann
klopfte Hias von draußen ans Fenster.
»Baur«, rief er. »Mia miassn redn.«
Maiche ging hinaus. Magdalena blieb sitzen. Sie sah
Hias vor dem Fenster warten. Ihr Großvater kam und stellte sich vor ihn hin,
die Fäuste in die Hüften gestemmt, den Hut in den Nacken geschoben. Er war
kräftiger gebaut als Hias, der ihn dafür um mehr als einen halben Kopf
überragte. Die beiden alten Männer
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