Tod in Garmisch
hatte. Immerhin war
Fisch nicht an der Reihe, was das Risiko etwas senkte.
Ein Treckermotor näherte sich, und der Knecht der
Meixners lenkte einen alten Renault-Traktor auf den Hof. Schwemmer hatte den
Mann schon gesehen, kannte ihn aber nicht mit Namen.
Der hagere Alte warf ihm im Vorbeifahren einen
feindseligen Blick zu. Schwemmer hob grüßend die Hand, aber der Mann steuerte
den Traktor grußlos um die Scheune herum. Schwemmer ging langsam hinterher. Er
hörte, wie der Motor erstarb, doch der Mann tauchte nicht auf. Schwemmer ging
weiter und bog um die Ecke. Der Traktor parkte neben dem Misthaufen. Der Knecht
stand gebückt neben dem Motorblock und stocherte mit einem Schraubenzieher in
einer Öffnung herum.
»Grüß Gott«, sagte Schwemmer.
»Grüß Gott«, erhielt er zur Antwort, aber der Mann gönnte
ihm keinen Blick.
»Ich bin der Schwemmer Hausl von der Kripo Garmisch.«
»So«, sagte der Mann.
Er steckte den Schraubenzieher ein und startete den
Traktor wieder. Der Motor sprang widerstrebend an, und eine gewaltige Rußwolke
entlud sich aus dem Auspuff. Der Mann drückte mit der Hand das Gaspedal runter.
Mit der steigenden Drehzahl wurde die Wolke größer. Er schien zufrieden und
stellte den Motor wieder ab.
»Wann kommt denn der Bauer heim?«, fragte Schwemmer.
»Woaß i ned.« Der Knecht ging an ihm vorbei und
verschwand um die Ecke. Schwemmer folgte ihm und sah ihn in die Scheune gehen.
Im Dämmerlicht hier konnte er den Mann zunächst kaum ausmachen, schließlich
entdeckte er ihn weit hinten an einer Werkbank, wo er in einer Schublade
herumwühlte. Metall klirrte, und der Mann kam mit einem ziemlich großen
Schraubenschlüssel in der Hand auf Schwemmer zu. Wieder ging er an ihm vorbei,
als sei er gar nicht da, und wieder folgte Schwemmer ihm, zurück hinaus zum
Traktor. Schwemmer kannte sich nicht aus mit Traktoren, aber für ihn sah dieser
Renault aus, als stamme er aus den Siebzigern.
Der Mann klappte die Motorabdeckung hoch und zog eine
Mutter nach.
»Kannst du dem Meixner was ausrichten, wenn er kommt?«
Keine Antwort.
»Anrufn soll er mich.«
»Zwegs wos?«, fragte der Mann.
»Des möcht ich ihm schon selber sagn.«
»Dann sog’s eam hoid selber.«
Schwemmer nickte. Er warf einen langen Blick ins Rund,
während der Knecht weitere Muttern am Traktor festzog.
»Eine Flintn hat er schon, der Meixner?«, fragte er
nach einer Weile.
»Woaß i ned.«
»Er hat doch eine Jagd droben, oder?«
»Woaß a jeder.« Der Mann würdigte ihn immer noch
keines Blickes.
»Dann wird er doch auch eine Flintn haben.«
»Kunnt scho sei.«
Schwemmer wollte wissen, wie weit der Mann das Spiel
treiben würde, und war auch bereit, dafür Zeit zu opfern.
»Wie heißt denn eigentlich?«, fragte er.
»Hias.«
»Und weiter?«
»Rossmeisl, wennst as scho wissen wuist.«
»Bin immerhin von der Kripo.«
»Bist auf am privatn Grund und Bodn. Sei froh, dass i
di ned zum Teifi jag.«
Zum ersten Mal sah er Schwemmer in die Augen. Es war
der Blick eines Mannes, der in sich ruhte und daraus alle Kraft der Welt ziehen
konnte, wenn er sie brauchte. Und der Blick eines Mannes, der genug erlebt
hatte, um keine Angst mehr zu haben.
»Seit wann bist denn beim Meixner, Hias?«, fragte
Schwemmer.
»Neinzehnsiebnasechzg«, antwortete der Knecht.
Immerhin, dachte Schwemmer: Er hat geantwortet.
»Wie alt warst du?«
»Sechsazwanzge.«
»Und wo warst vorher?«
Für eine Sekunde wurde sein Blick hart, dann wandte
Hias sich wieder dem Motorblock zu. Antwort gab er nicht mehr.
Schwemmer spürte, dass das Gespräch beendet war.
Gerade als er sich verabschieden wollte, hörte er einen Wagen ankommen.
Hias arbeitete weiter mit dem Schraubenschlüssel, als
habe er nichts mitbekommen. Schwemmer ging zur Ecke der Scheune und sah auf den
Hof.
Melchior Meixner stieg aus einem alten dunkelgrünen
Geländewagen. Er wirkte nicht mehr so stattlich, wie Schwemmer ihn in
Erinnerung hatte.
Zuletzt gesehen hatte er ihn auf der Einweihung des
»Lenas«, vorletztes Jahr. Da hatte er in seiner besten Tracht steif in der Ecke
gesessen und sich so sichtbar unwohl gefühlt zwischen den vielen Leuten, dass
er Schwemmer fast leidgetan hatte – aber das zählte nicht.
Schwemmers Bild des Meixner Maiche war geprägt von
einer viel früheren Begegnung. Damals hatte er seine frischgebackene
Schwiegermutter vom Meixner-Hof abgeholt, weit vor dem Mauerfall musste das
gewesen sein. Sie hatte ihre Freundin, die Meixner Gundl, besucht, die
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