Tod in Garmisch
Gwahr hat er auf eam zielt! Weil des angeblich sei Wald wär!«
Schafmann warf Schwemmer einen Blick zu. Er hielt den
Briefumschlag mit spitzen Fingern. Schwemmer zog einen seiner Plastikbeutel aus
der Tasche und reichte ihn dem Kollegen.
»Und seit drei Tagen tragen Sie den Brief in Ihrer
Tasche?«
»Ja. Warum?«
»Wer hat den Brief alles in der Hand gehabt?«
»Des woaß i nimmer. Meine Kinder, der Stoffl, der
Viggerl … wieso is des wichtig?«
Schwemmer faltete den Brief und steckte ihn in eine
seiner Plastiktüten.
»Warum haben Sie keine Anzeige erstattet?«, fragte
Schafmann.
»Wieso?« Mirl stieß eine Mischung aus bösem Lachen und
bösem Raucherhusten aus. »Was hättst denn ihr dann gmacht?«
»Wir hätten zumindest mal mit dem Mann reden können.«
»Redn! Mitm Maiche! Mit dem ko man ned redn!«
»Sagen wir mal so: Ohne Zweifel können Sie nicht
mit ihm reden«, sagte Schafmann mit einem anzüglichen Lächeln.
»Was grinstn so! Was wissts ihr denn scho? Der Meixner
war scho immer a Schläger. Und jetzt schiaßt er auf de Leit. Er hat’s doch
selber gschriebn!« Sie gestikulierte in Richtung des Briefes, den Schwemmer in
dem Tütchen in der Hand hielt.
»Das bleibt noch festzustellen, Frau Schedlbauer. Bis
jetzt ist der Brief anonym.«
»Wann i jetzat Anzeig erstatt, gegen an
Meixner, was machtsn dann?«
»Es ist nicht mehr nötig, Anzeige zu erstatten, Frau Schedlbauer.
Wir ermitteln ohnehin wegen eines Offizialdeliktes«, sagte Schafmann.
Schwemmer war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee
war, aber jetzt war es zu spät.
»Soll des hoaßn, ihr kriegts eam jetzt dran?«
Schwemmer machte eine beschwichtigende Geste. »Wenn er
etwas getan hat. Dann ja.«
Mirl hustete böse. »Des werd doch eh wieder nix! Eines
Tags bringt der oan von uns um, und ihr habt nix do! Was soll des eigentlich
sei, des Offizialdelikt ?«
Schafmann setzte zu einer Antwort an, aber Schwemmer
kam ihm zuvor.
»Erlauben Sie, dass wir uns setzen«, sagte er und
deutete auf die typischen graugrünen Krankenhausbesucherstühle, die neben dem
kleinen Tisch an der Wand gegenüber dem Bett standen.
»Es machts doch eh, was es wollts.«
Schwemmer nahm in aller Ruhe Platz, Schafmann hatte
offensichtlich verstanden und tat es ihm nach.
»Wie war das mit Ihrem Unfall? Die Straße dort ist
recht eng und kurvig, nicht wahr?«
»Eng ned, aber sakrisch steil is die. Und auf oamal
drah i am Lenkradl, und nix tuat si mehr. I fahr einfach gradaus. I dreh und
dreh und denk gar ned ans Bremsen, und dann war’s z’ spat und rrrums gegen die
Bam dort, mit der linken Seit vom Auto, und dann ging’s rum und rum, und nachat
bin i aufm Dach glegn und konnt mi nimmer rührn vor Schmerzen. Gschrien hab i
wia am Spieß! I bin aber auch a Depp! Was schnall i mi ned o! Tua i doch sonst
immer!«
»Die Lenkung hat von einem Moment auf den anderen
ausgesetzt?«, fragte Schafmann.
»Naa, i woaß ned … A bisserl komisch is ma’s scho den
ganzen Morgn vorkimma. I hab immer a bisserl mehr drehn müssen ois sonst. Aber
i bin von Farchant bis hin zum Luttensee kimma, ohne Problem.«
»Könnte jemand den Wagen –«
Schwemmer fiel Schafmann ins Wort. »Wir werden die
Untersuchung an ihrem Wagen abwarten«, sagte er.
Es passte gut, dass in diesem Moment der Pfleger mit
den Schmerztabletten im Zimmer auftauchte und den konzentrierten Zorn der alten
Dame auf sich zog. Schwemmer wartete die Schimpfkanonade ab, die Mirl auf den
rastagelockten Zivildienstleistenden abschoss, und dann noch, bis sie die
Tabletten mit Mineralwasser hinuntergespült hatte.
»Wie geht es denn Ihrer Familie?«, fragte er dann.
»Was soll jetzt nachat de Frag?«
»Nun, ich hatte schon damit gerechnet, hier ein
paar mehr der Schedlbauers anzutreffen …«
»Von dena warn gnua da. I habs zruck an d’ Arbeit
gschickt.«
Ihre Miene war verkrampft. Schwemmer fragte sich, ob
das den Schmerzen zuzuschreiben war, denn eigentlich sah es aus wie alarmiertes
Misstrauen.
»Ihren Sohn Vinzenz habe ich mal kennengelernt«, sagte
Schwemmer. »Es ist aber lange her, dass ich ihn gesehen habe. Macht er noch die
Gleitschirmgeschichte?«
»Pah!«, stieß sie hervor. »Da Vinz hat se a Auszeit
gnommen, wie de jungn Leut des heut nenna. Er is dann mal weg.« Es klang
verärgert. »Ned dass eam jemand brauchen tat do. Dass es was z’ tua gab bei
dene Schedlbauers. Des ma a paar Firmen am Laufn hoidn miassen. Na. Da Vinz is
dann mal weg. Nach Südamerika. Die Mirl schafft des
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