Tod in Garmisch
Blue Curaçao.
Magdalena sah irritiert zu, wie Andi das Glas mit der
roten Flüssigkeit verstohlen zur Nase führte und daran roch, bevor er die
beiden Gläser servierte. Sie runzelte die Stirn. Die Gäste hatten es nicht
bemerkt, aber was immer der Grund gewesen sein mochte, es ging nicht an, die
Nase in die Drinks zu halten. Sie würde mit ihm darüber reden müssen.
Als sie am Laptop hinter dem Empfangstresen die Mails
checkte, fand sie eine von Wastl dabei.
Er sitze in einem Internetcafé, schrieb ihr Bruder, er
habe eine Bleibe, zumindest für die nächsten beiden Nächte, und noch gehe es
ihm gut. Er kenne jemanden, der eine Idee habe, wie er seine Probleme vielleicht
lösen könne, mal sehen, demnächst mehr. Grüße, Küsse et cetera und nichts der
Mama sagen.
Es war nicht die Art Mail, die in der Lage war, eine
große Schwester zu beruhigen. Wastls Erwähnung ihrer Mutter brachte sie auf den
Gedanken, kurz bei Reserl anzurufen.
Eine Idee, die ihr den Rest des Tages nicht leichter
machen würde, aber das wusste sie in diesem Moment noch nicht.
* * *
Schwemmer und Schafmann betraten das Wirtshaus an der
Ludwigstraße. Ein kleiner alter Mann in abgewetzter Tracht, der allein vor
einer Halben und einem Stamperl in einer Nische saß, war außer ihnen der
einzige Gast.
Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster. Die
Bedienung kam mit freundlichem Lächeln auf sie zu. Sie trug die langen blonden
Haare zu dicken Zöpfen geflochten, füllte ihr Dirndl sehr ansehnlich aus und
rollte das R auf diese Art, wie es nur Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion
können.
Sie bestellten zwei Radler und zweimal
Leberknödelsuppe.
Schwemmer sah sich um. Es war sehr lange her, dass er
hier gewesen war; und es hatte in seiner Abwesenheit offensichtlich keinen
Grund gegeben, irgendetwas an der Einrichtung zu ändern.
Immer noch war da die kleine Bühne, auf der am Abend
jemand Zither oder Hackbrett spielte; immer noch zierten Trikots einst
ruhmreicher Eishockeyvereine die Wand, von denen die meisten längst insolvent
in irgendwelchen Amateurligen verschwunden waren.
Wimpel und Sporttrophäen setzten Staub an, sogar das
Foto der zweiten Mannschaft des SC ,
das, auf dem sein Vater mit drauf war, hing noch da, wo es in Schwemmers
Erinnerung immer schon gehangen hatte.
Auf fast allen der unbesetzten Tische standen
»Reserviert«-Schilder mit in Bleistift vermerkten Uhrzeiten. Die Zahl der Gäste
würde sich im Lauf des frühen Abends dramatisch erhöhen.
Nachdem Schwemmers Blick einmal durch den Raum
gestreift war, kam die freundliche Bedienung und brachte ihnen zwei Tassen
Suppe. Schwemmer und Schafmann sahen sich verblüfft an.
Die Bedienung lächelte strahlend, verschwand kurz, und
Sekunden später standen auch die beiden Halben vor ihnen.
»In der Küche hat es offensichtlich eine
gewisse Entwicklung gegeben«, sagte Schwemmer.
»Hin zur Mikrowelle?« Schafmann tauchte misstrauisch
seinen Löffel in die Suppe.
Die Tür hinter dem Tresen ging auf, und Nanni
Schedlbauer kam heraus. Ein Herr im Anzug war bei ihr, die beiden schienen in
ernsthaften Verhandlungen. Es war nicht zu verstehen, was sie sagten, aber
beide wirkten unfroh.
Als Schafmann Nanni sah, verzog er beleidigt den Mund
und warf seinen Löffel auf den Tisch. »Das hätte ich mir doch denken können«,
maulte er. »Für einen Moment hatte ich wirklich geglaubt, wir würden hier in
Ruhe vespern.«
»Nun probier doch erst mal. Noch sind wir ja nicht
dran«, sagte Schwemmer mit halb vollem Mund. »Und so schlecht ist die
Suppe gar nicht.«
Schafmann aß weiter, aber seine Laune hatte sichtbar
gelitten.
Schwemmer sprach weiter, schon wieder kauend. »Kannst
dran sehn, wie du aufpasst. Nanni sollte erst zum Notar, dann zur Bank und dann
ins Höllentaler wegen der Zapfanlage. Und da sind wir nun.«
Schafmann löffelte in düsterem Schweigen.
Die Verhandlungen zwischen Nanni und dem Herrn im
Anzug zogen sich gerade lang genug hin, dass sie ihre Suppe aufessen konnten.
Dann reichte der Herr Nanni die Hand und verabschiedete sich mit einer Miene,
als hätte er lieber mit ihrer Mutter verhandelt, was sich Schwemmer allerdings
nicht wirklich vorstellen konnte.
Der Mann war noch nicht aus der Tür, als Nanni schon
ihr Handy in der Hand hatte. Die beiden Polizisten hatte sie noch gar nicht
bemerkt, und ihr Blick war nicht erfreut, als Schwemmer sie ansprach, bevor sie
ihr Telefongespräch beginnen konnte.
Er bat sie höflich, doch einen Moment bei ihnen
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