Tod in Garmisch
… Wie wär’s da mit: Als du noch in Ingolstadt warst …«
»Was?« Schwemmer sah ihn irritiert an, aber Schafmann
fuhr ungerührt fort.
»Als du noch in Ingolstadt warst, da hat dein total
netter Chef nach so einem Einsatz gesagt: Geh einfach nach Hause, vergiss den
Papierkram, den übernehm ich. Aber das waren natürlich die goldenen Zeiten in
Ingolstadt. Heute, hier in Garmisch dagegen, kriegt der Chef abends zu Hause
Geflügellasagne, und deshalb muss der Kollege Schafmann den ganzen Scheiß
leider selbst tippen und kann die Idee, früher Feierabend zu machen, um sein
verbeultes Auto in die Werkstatt zu bringen, komplett vergessen …« Er grinste
wie Tom Selleck und zog auch so die Brauen hoch. »War es das, was du sagen
wolltest?«
»So ungefähr«, brummte Schwemmer.
»Dacht ich’s mir. Dabei hatte ich noch nicht mal
Mittag.«
»Brotzeit?«, fragte Schwemmer.
»Ich dachte schon, du würdest nie fragen«, sagte
Schafmann.
* * *
Andi tat nicht viel, weil es nicht viel zu tun gab an
diesem Nachmittag. Sie redeten auch nicht viel miteinander, aber allein seine
Anwesenheit war eine Erleichterung für Magdalena.
Sie ermöglichte ihr zum Beispiel, noch mal nach oben
zu gehen und zu duschen, wozu sie am Morgen keine Zeit gefunden hatte.
Sie stand unter der Dusche, genoss es, wie das heiße
Wasser in ihren Nacken prasselte. Sie reckte und dehnte sich und drückte einen
dicken Klecks Balsamspülung für ihr Haar in ihre Hand, und als extragroßen
Luxus hatte sie heute wegen alldem kein schlechtes Gewissen.
Sonst dachte sie während des Duschens immer mindestens
einmal daran, dass es auf dem Meixner-Hof immer noch einen Boiler gab, der mit
Holz eingeheizt wurde. Dafür war Maiche verantwortlich, wer sonst, denn es war
ja sein Hof, und der Maiche kam sein Leben lang schon mit so einem Boiler aus.
Und wenn Magdalena in ihrem Bad unter der heißen, dampfenden Dusche stand, dann
dachte sie immer an Reserl, die so eine Dusche zu Hause nicht bekommen würde,
solange der Maiche zu sagen hatte, und dann tat sie ihr leid, und sie bekam ein
schlechtes Gewissen.
Meistens, fast immer, aber nicht heute.
Sie fühlte sich besser. Duftend, gecremt und in einem
frischen Kleid ging sie die Treppe hinunter. Aus Gewohnheit warf sie in jedem
der beiden Stockwerke einen Blick in die Gänge. Und wie eigentlich immer gab es
nichts Ungewöhnliches zu sehen – so wie es in ihrem Hotel eben sein sollte.
Die Perserläufer auf dem Dielenparkett waren perfekt
sauber, der Rokokospiegel fleckenfrei. Sie fuhr mit dem Finger oben über den
Rahmen der Franz-Marc-Lithographie, und auch hier war kein Stäubchen zu
entdecken.
Aber als im ersten Stock ihr Blick auf die Tür von
Herrn Kants Zimmer fiel, zögerte sie. Eine ganze Weile stand sie da. Dann
klopfte sie und erhielt keine Antwort. Sie zog ihren Generalschlüssel aus der
Tasche und schloss auf.
Auf dem Sekretär stand ein Mac-Laptop; aufgeklappt,
aber ausgeschaltet. Daneben lag ein Notizblock, dessen oberstes Blatt leer war.
Das war alles, was darauf hinwies, dass dieses Zimmer bewohnt war.
Ihr Blick streifte über das gemachte Bett und den
sorgfältig gesaugten Seidenteppich und fand nichts auszusetzen an der Arbeit
der Zimmermädchen. Sie warf einen Blick ins Bad. Auf der breiten Marmorablage,
die sich zwischen Waschbecken und Spiegel über die ganze Wand zog, standen und
lagen ein edel aussehendes Rasierset, ein nicht übertrieben teures
Rasierwasser, eine elektrische Zahnbürste und ein Hornkamm.
Sie entdeckte nichts, was man in irgendeiner Weise
hätte auffällig nennen können. Höchstens dass es hier absolut nichts
Auffälliges gab.
Unentschlossen strich ihre Hand über den
Edelstahltürgriff des großen Rosenholzkleiderschrankes. Aber endlich gab sie
sich einen Ruck und verließ das Zimmer wieder, ohne den Schrank geöffnet zu
haben.
Als sie die Treppe zum Foyer hinunterging, hörte sie
Andi in der Bar mit dem Shaker arbeiten. Das britische Paar saß dort und
bemühte sich um Konversation mit dem Russen, der heute Mittag erst angekommen
war und ein ziemlich großes Glas mit einer klaren Flüssigkeit vor sich stehen
hatte.
Andi füllte gerade den bläulichen Inhalt des Shakers
in ein Cocktailglas. Der Russe schob ihm wortlos sein leeres Glas hin, und Andi
beeilte sich, es mit Evian wieder aufzufüllen.
Er drehte sich wieder zu seinem Tablett, auf dem die
Drinks für die Briten standen: ein roter, wahrscheinlich auf Camparibasis, und
der bläuliche, vermutlich mit
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