Tod in Garmisch
murmelte Schafmann.
»Nach Hause? Wieso
das?«
»Sie wollt da was
holen … So ein … Naturheilmittel. Soll gut sein.« Schafmann sah angestrengt aus
dem Fenster.
Schwemmer stöhnte
auf. »Lass mich raten, gegen was.«
»Ich hab sie nicht
zurückhalten können«, sagte Schafmann entschuldigend.
»Selbst wenn du
gewollt hättest!«
Das Telefon läutete.
Es war Dräger. Das Fax mit dem Durchsuchungsbeschluss war um sechs Uhr
eingegangen, um halb sieben war Dräger in Vinz Schedlbauers Wohnung gewesen.
»Wir waren leider
nicht die Ersten hier«, sagte er. »Hier hat schon jemand ganz schön gewühlt.«
»Das war zu erwarten«,
sagte Schwemmer. »Irgendein Hinweis, wann der Bewohner das letzte Mal da war?«
»Nur der
Anrufbeantworter. Da sind fünf Nachrichten drauf, die älteste ist sieben Tage
alt und war noch nicht abgehört.«
»Geben die
Nachrichten was her?«
»Kaum. Zwei Bitten
um Rückruf von einer Lenerl, die klingen privat, und drei von einem Herrn Kant,
die klingen geschäftlich. Ihr kriegt ‘ne Kopie.«
»Danke. Fehlt was?«
»Laptop und Bargeld,
sonst scheint alles da zu sein. Dem ersten Eindruck nach wurden hier nur Unterlagen
gesucht. Und alles, was man einfach finden konnte, hat man schon
gefunden. Aber wir finden ja auch die Sachen, die nicht einfach
zu finden sind.«
»Schon gut, Dräger. Ja ,
ihr seid großartig. Was ist es?«
»Tagebücher. Sechs
Kladden. Steckten hinter einem Wandpaneel.«
»Das ist toll. Wie
aktuell sind die?«
»Letzter Eintrag vor
drei Wochen. Der erste vor zwei Jahren.«
»Schick sofort
jemanden damit her. Der Kollege Schafmann kümmert sich drum.« Er legte auf.
»Kümmern um was?«,
fragte Schafmann.
»Strafarbeit. Wegen
eigenmächtiger Entfernung von Frau Fuchs aus dem Dienst. Tagebücher von zwei
Jahren lesen.«
»Ja, ja«, sagte
Schafmann. »Ich kümmer mich drum.« Er stellte sich ans Fenster und sah hinaus,
sodass er Schwemmer den Rücken zudrehte. Dann hielt er sich das rechte Ohr zu.
Das Piepsen hatte kein bisschen nachgelassen.
»Lass das«, sagte
Schwemmer, aber Schafmann ignorierte das tapfer. Schließlich war es sein Tinnitus.
»Sag mal, der
Dräger«, sagte Schwemmer. »Wieso ist der zwölf Stunden jeden Tag im Einsatz? Ich
denke, der hat Kinder?«
»Schon, aber nicht
daheim. Die sind bei seiner Ex.«
»Aha«, murmelte
Schwemmer. »Was ‘n Scheiß.«
Unten auf der Straße
hielt ein Taxi. Der Fahrer stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die
Beifahrertür. Er beugte sich hinunter und wollte seinem Fahrgast beim
Aussteigen helfen, aber der alte Mann wehrte das mit einer wirschen Geste ab.
Er zog sich an der Tür hoch und ging mit unsicheren Schritten auf den Eingang
zu.
Schafmann nahm den
Finger aus dem Ohr. »Wir kriegen Besuch«, sagte er.
Schwemmer trat
ebenfalls ans Fenster. Sie sahen zu, wie Maiche Meixner auf die Inspektion
zuging, als müsse er sich Schritt um Schritt abringen.
»Ich bin gespannt,
was der hier will«, sagte Schafmann.
»Ich auch«, sagte
Schwemmer. Ein ungutes Gefühl grummelte in seinem Magen. Der Alte würde sich
hintergangen fühlen von ihm. Mit Recht. Sein Freund würde er nicht mehr werden.
Umso mehr fragte er
sich, warum der Meixner Maiche sich aus seinem Krankenbett gequält hatte. Denn
eine Quälerei war es für den Alten – erkennbar.
»Ich geh runter«,
sagte Schwemmer.
»Soll ich
mitkommen?«
»Bei dir piept’s
doch!«
Schwemmer nahm das
Blatt mit den Fotos vom Schreibtisch und ging hinaus.
* * *
Magdalena stellte das Tablett ab und verteilte das
Frühstück auf dem Tisch.
Herr Kant wies in den leeren Frühstücksraum.
»Vielleicht mögen Sie sich ein wenig zu mir setzen, solange sonst noch niemand
da ist.«
Ein bisschen zögerlich und mit einem etwas verlegenen
Lächeln nahm sie Platz.
»Ich werde heute abreisen«, sagte er.
»Oh …« Mehr fiel ihr nicht ein. Warum auch? Er würde
verschwinden. Ein Satz von Vinz fiel ihr ein, er hatte ihn damals in Tübingen
gesagt, während sie in der Studentenkneipe gemeinsam betrunken wurden. »Wenn
einer nicht glaubt, was er weiß, ist ihm eben nicht zu helfen.« Sie hatte
gewusst, dass Kant irgendwann – bald – verschwinden würde.
Aber sie hatte es aus ihren Gedanken verbannt.
Hatte es nicht geglaubt.
Ihr war eben nicht zu helfen.
»Ich mach Ihnen die Abrechnung fertig«, sagte sie.
»Lassen Sie sich bitte Zeit. Ich habe noch eine
Verabredung heute Mittag.«
»Bleiben Sie, solange Sie wollen«, sagte Magdalena.
»Das geht
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