Tod in Garmisch
beherrschten Gesicht ließ sich plötzlich lesen wie in
einem Buch. Der anfängliche Unglaube wurde abgelöst von Unverständnis und dann
vom allmählichen Erfassen der durchweg unangenehmen Konsequenzen.
»Warum hast du der Mirl den Brief geschrieben?«
Schwemmer wartete geduldig die Antwort ab, die wieder auf sich warten ließ.
»Weils wieder angfangn ham«, sagte Maiche endlich.
»Kannst dir vorstellen, was das für ein Bild abgibt?
Zusammen mit dem toten Vinz? Ein Drohbrief und ein toter Schedlbauer!«
Dieses Mal erhielt er gar keine Antwort.
Es klopfte an der Tür, und einer der Uniformierten
schaute in den Raum. Schwemmer machte eine abwehrende Geste, aber der Mann
wedelte mit einem Fax, das er ihm auf den Tisch legte, bevor er leise wieder
hinausging und die Tür hinter sich zuzog.
Schwemmer nahm das Blatt und überflog es. Es stammte
aus dem Labor, und was er las, machte Maiches Situation noch ein Stück
unangenehmer.
»Wir haben zwei Schrothülsen gefunden bei dir im Wald.
Der gleiche Schrot steckte im Arm vom toten Vinz. Und hier steht, dass die
Schlagbolzenabdrücke darauf von der Simson-Flinte stammen, die der Hias
versteckt hatte … Wer hat damit geschossen? Der Hias oder du? Oder noch wer
anders? Lenerl vielleicht?«
»Na. Ned ‘s Lenerl«, sagte Maiche.
»Immerhin. Aber verstehst mich jetzt? Es gibt nix, was
mich nix angeht. Wenn du mit dem Hias redst, bin ich dabei. Oder du redst nicht
mit ihm.«
Maiche nickte schweigend, was aber keinen Rückschluss
auf seine Entscheidung erlaubte. Schwemmer ließ ihm noch einen Moment, bevor er
das Blatt mit den Fotos aus Vinz’ Semesterarbeit vor ihn hinlegte. Er tippte
mit dem Stift auf das Bild des Mädchens.
»Kennst du die?«, fragte er.
Maiche starrte auf das Bild. Dann nahm er das Blatt
und sah die anderen Fotos an. »Wo habts des her?«
Schwemmer gab ihm keine Antwort darauf. »Also kennst
du sie?«, fragte er stattdessen.
»Ja«, sagte Maiche. »’s Vrenerl. De hod se derhängt.«
»Wegen dem Schedlbauer Max?«
Wieder entstand eine Pause. Endlich sagte Maiche:
»Lass mi mitm Hias redn. Kannst a dabeihocka, wannst unbedingt wuist.«
»Gut«, sagte Schwemmer. »Wart hier.«
Er ging aus dem Zimmer, um einen der Wachmeister zu
beauftragen, den Festgenommenen Rossmeisl Matthias ins Vernehmungszimmer
bringen zu lassen. Dann griff er sich ein Telefon und rief Schafmann an.
»Wie sieht’s aus? Ist was anzufangen mit den
Tagebüchern?«
»Es stehen ein paar spannende Sachen drin. Ob sie uns
was nutzen, weiß ich noch nicht. Am interessantesten wäre natürlich der Band
über die letzten Wochen, aber der fehlt ja. Und bei dir?«
»Weiß ich noch nicht. Er will mit Hias reden. Könnte auch spannend werden.« Er legte auf.
Auf der Fensterbank der Wache gab eine Kaffeemaschine
gerade die letzten Röchler eines neuen Aufgusses von sich.
»Tut mir leid, Kollegen, aber die Kanne ist
beschlagnahmt«, sagte Schwemmer.
Es gab maulenden Widerspruch, aber Schwemmer belud
ungerührt ein Tablett mit Tassen, Zucker, Milch und der Kanne.
»Und ich will da drin nicht gestört werden! Von keiner
Frau Schwemmer und auch von keiner Frau Isenwald. Von der schon gar
nicht.«
»Und wer soll die aufhalten im Zweifelsfall?«, fragte
eine junge Kollegin spöttisch.
»Immer der, der fragt.« Schwemmer schenkte ihr ein
maliziöses Lächeln. »Sie sind mir persönlich dafür verantwortlich, Frau
Polizeiobermeisterin Erkenschwick. Und wenn Sie das nicht hinkriegen, sorge ich
höchstselbst für Ihre Versetzung. Nach Ingolstadt.«
In seinem Rücken erhob sich vielstimmiger Protest.
»Das geht zu weit … Oh Gott, die Arme … Lieber eine Haftstrafe … Genfer
Konvention …«
»Das hab ich alles gehört«, sagte Schwemmer und
balancierte das Tablett in den Vernehmungsraum. Er hatte es gerade auf dem
Tisch abgestellt, da wurde Hias in den Raum geführt. Schwemmer entließ den
Wachmeister mit einem freundlichen Kopfnicken.
Hias blieb gerade und stur stehen, aber als Maiche mit
einer Kopfbewegung auf den freien Stuhl wies, setzte er sich doch.
Er sah sich mit wachen Augen um, und bald blieb sein
Blick auf dem Blatt mit den Fotos hängen.
»Schaug dirs ruhig o«, sagte Maiche ernst und schob
ihm das Blatt zu.
Hias nahm es und starrte es an.
Schwemmer schenkte Kaffee ein. Eigentlich hatte er die
Runde damit ein wenig auflockern wollen, aber die beiden alten Männer saßen
schweigend und reglos da. Es passte einfach nicht, ihnen Kaffee anzubieten.
Endlich hob
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