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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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Gin in kleinen Schlucken. Sie trank, bis das Glas leer war.
    Täusche ich mich, dachte Bella, oder blüht sie gerade auf? Sie sieht jedenfalls aus, als ginge es ihr besser.
    Sehen Sie mich nur an, ich bin ganz in Ordnung. Wenn Sie den Gin bezahlen, können Sie mich ruhig allein lassen, den Kaffee können Sie selbst trinken.
    Das kann ich nicht, sagte Bella. Tun Sie doch nicht so. Sie wissen, dass ich Sie hier nicht allein sitzenlasse. Ich finde Sie ganz schön raffiniert.
    Im gleichen Augenblick tat ihr leid, was sie gesagt hatte. Die alte Frau sah sie an. Ihre großen Augen schwammen in Tränen. Die Hände, die den Schal hielten, waren verkrampft. Eine Frau, die auf der Straße lebte, sah anders aus.
    Tut mir leid, sagte Bella. Ich kenne Sie doch überhaupt nicht. Ich heiße Bella Block und bin eine Touristin aus Deutschland, aber das haben Sie ja schon bemerkt.
    Sie zwang sich zu lächeln. Die Alte schien sich zu beruhigen. Der Junge tauchte neben ihrem Tisch auf, nahm das leere Glas in die Hand und sah fragend von einer zur anderen. Bella schüttelte den Kopf. Der Junge verschwand. Die alte Frau protestierte nicht.
    Nini, sagte sie, Nini Barbier. Französin. Aus Spanien. Alleingelassen. Verraten. Aber das wird sich ändern. Ich hol sie da weg. Ich hol sie so bald wie möglich da weg. Das ist kein Ort für ein junges Mädchen. Ich muss nur erst …
    Moment mal, rief Bella dazwischen. Freut mich, Sie kennenzulernen, Nini. Von wem reden Sie? Wen wollen Sie wo wegholen? Sie müssen zuerst schlafen und dann essen, bevor Sie überhaupt etwas unternehmen können. Wann haben Sie das letzte Mal gegessen?
    Keine Ahnung, sagte Nini. Getrunken hab ich zuletzt oben im Panier-Viertel, Place de Lenche. Aber ob ich da auch was gegessen habe? Wohl eher nicht. Ich hab überhaupt kein Geld mehr gehabt. Hat gerade noch für den Gin gereicht, und dann wollte ich gehen und Geld holen. Irgendwie bin ich in die Rue du Relais gekommen, weil es da dunkler war, und ich war nicht mehr so sicher auf den Beinen, und dann bin ich hingefallen. Ich hab da gelegen, und Sie haben mich gefunden … mein armer Kopf.
    Sie hielt inne und befühlte ihren Hinterkopf. Beule, sagte sie. Da, Sie sehen es ja. Ich mach Ihnen nichts vor, alles die reine Wahrheit, und die Tasche ist auch weg.
    Was für eine Tasche?
    Meine Handtasche natürlich. Ausweis, EC-Karte, Schlüssel.
    Was für Schlüssel?
    Bella hatte die leise Hoffnung, dass mit dem Schlüssel auch so etwas wie eine Wohnung oder ein Hotel verbunden sein könnte. Jemanden zu finden, der eine Wohnungstür öffnete, wenn der Schlüssel weg war, dürfte nicht allzu schwer sein.
    Schlüssel für meine Wohnung, Calle Trasera, San Sebastián de la Gomera.
    Der wird uns nützen, sagte Bella enttäuscht.
    Ich hab Ihnen gesagt, dass ich aus Spanien bin, oder?
    Liebe Nini, sagte Bella so geduldig, wie es ihr möglich war, wir sind hier in Marseille, und Sie brauchen einen Schlafplatz. Wo ist Ihr Gepäck? Wenn Sie aus Spanien kommen, werden Sie Gepäck dabeigehabt haben.
    Nini sah sie an. Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Sie hob die Schultern; ein winziges Häufchen Elend, zerknirscht und beunruhigt zugleich.
    Ich weiß nicht. Vermutlich irgendwo dort oben.
    Sie zeigte vage in Richtung Panier-Viertel. Bella überlegte kurz. Das Letzte, wozu sie Lust hatte, war, von Kneipe zu Kneipe zu laufen und nach Ninis Gepäck zu fragen. Konnte sie es riskieren, der alten Frau etwas Geld zu geben und sie dann sich selbst zu überlassen?
    Nini ließ den Schal los und legte ihre Hände auf den Tisch. Ich hab kein Hotel, sagte sie. Mein Geld scheint weg zu sein. Vielleicht kann man morgen … ich meine, die Polizei könnte doch morgen … aber so, wie ich aussehe … ich bin doch ganz schmutzig … vermutlich rieche ich nach Gin … die werden mich wegschicken …
    Wahrscheinlich, sagte Bella, und nun? Ihre Stimme hatte zu hart geklungen. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
    Ich brauch ja nicht viel Platz. Es wäre ja nur für diese Nacht.
    Ich stelle Bedingungen, sagte Bella. Keinen Schnaps mehr. Sie nehmen zuerst ein Bad. Ich kümmere mich um Ihre Kleider. Der Schal …
    Er ist ein Geschenk, sagte Nini leise. Maria-Carmen …
    Wir wollen gehen, sagte Bella. Sie werden mir Ihre Geschichte erzählen, wenn Sie einigermaßen wiederhergestellt sind und etwas gegessen haben.
    Sie winkte dem Jungen, der sofort angelaufen kam, und zahlte. Nini hatte Mühe, aufzustehen. Bella legte noch einmal den Arm um

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