Tod in Wolfsburg (German Edition)
Fragen klären und wenden uns noch mal an
die Mädchen, die an dem Abend mit Karen unterwegs waren«, erklärte die
Kommissarin.
»Karen … Hm, ja. Ein wirklich schreckliches Unglück.«
»Kannten Sie das Mädchen näher? War sie mal bei Ihnen zu Hause?«
»Nein. Lola ist meistens mit Rabea zusammen oder auch mit Philippa
und dieser Nelli«, sie zog die Augenbrauen hoch. »Was ich nicht so ganz
nachvollziehen kann. Muss ich vielleicht aber auch nicht. Die vier sind schon
eine ganze Weile sehr eng befreundet – das ist ein richtiges Kleeblatt.«
Johanna lächelte. »Was Ihnen nicht hundertprozentig gefällt?«
Frau Kranstedt winkte ab. »Haben Sie Kinder? Nein? Wissen Sie, man
hat so seine Vorstellungen und Ideen, wenn man Kinder in die Welt setzt, aber
je älter sie werden, desto deutlicher zeigt sich, wie wenig Einfluss Eltern
wirklich haben. Ja, und das entmutigt mich manchmal oder macht mich sehr
nachdenklich … Insbesondere wenn es um den Umgang geht.« Sie zuckte mit den
Achseln.
»Was ist denn nach Ihrer Ansicht nicht okay an Rabea oder Philippa und
Nelli?«
»Lola und Rabea sind schon seit ewigen Zeiten befreundet. Ich mag
das Mädchen – wirklich, aber … sie kommt aus problematischen
Familienverhältnissen. Ausgesprochen problematisch. Soweit ich weiß, gibt es
drei Söhne aus erster Ehe, die Mutter trinkt und kümmert sich um nichts, der
Vater sowieso nicht – ich glaub, der wohnt auch gar nicht mehr zu Hause –, und
Rabea musste sehr früh selbstständig werden. So etwas verkraften nicht alle
Kinder, und man macht sich so seine Gedanken. Verstehen Sie?«
»Durchaus. Gute Freunde können sehr hilfreich sein.«
»Ja, das stimmt wohl.« Kranstedt nickte.
»Und die beiden anderen Mädchen?«
»Philippa ist ein hübsches Ding, aber schulisch völlig
uninteressiert. Das kann man sich heutzutage doch gar nicht mehr leisten. Na
ja, und Nelli besucht zwar das Gymnasium, aber … Ich weiß einfach nicht, was
meine Tochter mit ihr verbindet.«
Sie hält sie für ein hässliches, dickes Trampeltier, das nicht zu
Lola passt, fuhr es Johanna durch den Kopf.
»Aber … na ja. Ich hole jetzt mal Lola.« Damit schlüpfte sie aus dem
Zimmer.
Ein blondes, langbeiniges Mädchen mit beneidenswert reinem Teint,
das man sich gut im Reitstall oder auch beim Klavierunterricht vorstellen
konnte, trat wenig später von seiner Mutter begleitet zur Tür herein und
bemühte sich um eine gleichmütig freundliche Miene, während sie ein höfliches
»Hallo« in den Raum warf. Sie wusste natürlich längst Bescheid. Johanna
lächelte ihr herzlich zu und sah dann ihre Mutter an.
»Frau Kranstedt, es wäre hilfreicher, wenn wir die Unterredung
allein mit Ihrer Tochter führen könnten.«
»Ach? Aber …«
»Jugendliche entspannen sich häufig besser, wenn die Eltern bei
derlei Gesprächen nicht anwesend sind.«
Johanna zuckte mit keiner Wimper, während Frau Kranstedt noch einen
Augenblick unschlüssig in der Tür stehen blieb und schließlich nickte, bevor
sie der Kommissarin – schweren Herzens – die Regie überließ. Lola trat näher,
setzte sich neben Beran und betrachtete Johanna aufmerksam.
»Du weißt natürlich, worum es geht, nicht wahr?«, fragte die
Kommissarin.
»Na klar. Meine Mutter hat es mir gesagt.«
Lola lächelte und entblößte zwei Reihen blitzweißer Zähne, die die
Spangenzeit längst hinter sich oder aber nie nötig gehabt hatten. Johanna
tippte eher auf Letzteres.
»Sonst niemand?«
Unschuldiger Augenaufschlag. »Bitte?«
»Hat dich denn niemand über unsere erneuten Ermittlungen in Kenntnis
gesetzt?«
»Ich verstehe nicht.«
»Natürlich verstehst du uns. Nelli oder Philippa haben doch bestimmt
angerufen oder eine SMS geschickt.«
»Ich war mit meiner Klasse in einer Ausstellung, da mussten wir die
Handys ausstellen.« Lola rückte auf dem Stuhl hin und her und warf mit einer
lässigen Bewegung eine Strähne über die Schulter zurück.
Johanna nickte betont nachdenklich. »Weißt du, was das Erste ist,
was die Kids heutzutage machen, wenn sie mittags aus der Schule kommen? Sie
stöpseln sich ihre Ohrhörer rein und schalten die Handys an. Machst du das
nicht genauso?«
Lolas Wangen verfärbten sich rötlich. Bei Blondinen war das
besonders gut zu erkennen.
»Warum reiten Sie da eigentlich so drauf rum?«
»Ganz einfach: Weil ich mich frage, wieso du diese
Selbstverständlichkeit nicht einfach zugibst. Natürlich informieren sich
Freundinnen gegenseitig über das Auftauchen
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