Tod ist nur ein Wort
Mondlicht, der perfekte Mann am perfekten Ort.
Und dann zogen wieder die Schatten um sie herum auf. “Du leidest am Stockholm-Syndrom, schon vergessen?”, neckte er sie sanft. “Es dauert nicht mehr lange. Um Mitternacht bist du in Sicherheit, und nächste Woche wird das alles nur noch ein entfernter Albtraum sein. In einem Jahr hast du vergessen, dass du mir je begegnet bist.”
“Das glaube ich nicht.”
Das Thema war durch. Er löste die Hände von ihrem Hals, und sie bemerkte erst jetzt, dass er sie liebkost hatte. “Du tust, was ich dir sage, ja? Wenn ich dir das Zeichen gebe, fängst du einen Streit mit mir an, stürmst davon und versteckst dich in der Toilette. Ich komme nach und hole dich, sobald ich kann.”
“Und wenn du nicht kommst?”
“Sollt’ auch die Hölle mir den Weg versperren”, zitierte er. “Du wirst deinen alten Freund vom Château treffen. Was für eine Freude.”
“Ach ja”, sagte sie. “Ich verspreche, dass ich den Mund halten werde.”
“Das musst du nicht. Heute Nacht wird alles vorbei sein. Es spielt keine Rolle, was du sagst, solange du nicht das kleine Päckchen erwähnst, das ich an meinem Körper trage. Halte dich nur von Christos entfernt.”
“Wer ist Christos?”
“Du hast ihn noch nicht kennengelernt. Er kommt heute Abend. Im Vergleich zu ihm war Hakim Mutter Teresa. Meide ihn, wo du kannst. Dein argloses Geplapper könnte ihm auf die Nerven gehen, und er ist kein Mann, mit dem man sich anlegt.”
“Argloses Geplapper …?”
Er ignorierte ihren wütenden Protest. “Kopf hoch. Tu, was ich dir sage, und du überlebst den Abend.”
“So wie du?” Das war eine Frage, keine Feststellung.
Die entfernte Ironie in seinem Lächeln gefiel ihr nicht. “So wie ich”, erwiderte er. “Eins noch. Du bist noch nicht fertig angezogen.”
“Ein BH war nicht dabei”, sagte sie nervös.
“Ich weiß. Darum habe ich dieses Kleid ja ausgesucht.” Er griff in die Tasche seines Smokings und holte ein glitzerndes Schmuckstück hervor. “Du musst gebührend herausgeputzt werden. Dreh dich um.”
Er hielt ein schweres, antik wirkendes Collier in der Hand, das offenbar mit echten Diamanten besetzt war. Sie war nicht in der Lage, sich zu rühren, sodass er es einfach um ihren Hals legte und in ihrem Nacken verschloss. Die Steine funkelten im Licht, und das Collier fühlte sich seltsam warm an auf ihrer Haut. Er betrachtete sie mit geneigtem Kopf, um die Wirkung zu begutachten. “Es steht dir gut.”
“Wo hast du es her? Hehlerware? Oder die beste Imitation, die man für Geld kriegen kann?”
“Spielt das eine Rolle?”
“Eigentlich nicht.” Als er die Tür öffnete, wusste sie, dass sie nicht hierher zurückkehren würde. Sie würde nie wieder mit ihm allein sein. Er griff nach ihrem Arm, und sie widersetzte sich leicht.
“Tust du mir einen Gefallen?”
“Welchen?”
“Würdest du mir wenigstens deinen richtigen Namen sagen?”
Er schüttelte den Kopf. “Ich sagte doch, dass du ihn nicht zu wissen brauchst. Je weniger du weißt, desto sicherer bist du.”
Sie hatte nichts anderes erwartet. “Würdest du mich dann wenigstens küssen? Nur einmal. So, wie du es wirklich empfindest.” Wenn er sie nicht küsste, überlebte sie vielleicht die nächsten Stunden nicht. Aber vielleicht wollte sie das dann auch gar nicht mehr.
Doch er schüttelte erneut den Kopf. “Nein”, sagte er. “Wenn du erst einmal zu Hause bist, werden dich Dutzende hübscher junger Männer küssen wollen. Warte so lange.”
“Das will ich nicht.” Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Fast erwartete sie, dass er sich wehrte, sie zurückstieß, doch er ließ sich die Berührung gefallen, ohne zu reagieren, ohne den Kuss zu erwidern. Sie hätte ebenso gut ihr Spiegelbild liebkosen können.
Sie wollte weinen, doch die Tränen konnten ebenso warten wie die hübschen jungen Männer. Sie ließ ihn los und setzte ein munteres Lächeln auf. “Das bringt Glück”, sagte sie fröhlich. Damit trat sie hinaus in den Gang und überließ es ihm, die Tür hinter ihnen zu schließen. Ließ sich von ihm in ihre Zukunft oder in den Tod führen. Was von beiden sie erwartete, würde sie bald wissen.
Sie waren alle da. Otomi und sein Assistent, dessen Tattoos unter den Ärmeln seines Smokings hervorblitzten. Bastien fragte sich beiläufig, ob Otomis Körper wohl auch mit den traditionellen bunten Tätowierungen der meisten Yakuza bedeckt war oder ob er schon immer im
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