Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
die Frau zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug eine bequeme Hose und ein weites Shirt. »Kommen Sie rein.«
Ellen Budde ging vor. Wiebke folgte ihr ins Wohnzimmer, das nicht sonderlich groß war. Vom Fenster aus hatte man einen Ausblick auf den Hinterhof, der aus einem pedantisch geschnittenen Rasen bestand, über den sich eine Ansammlung von Wäscheleinen spannte. Die Einrichtung des Zimmers erschien ihr geschmackvoll, aber nicht besonders wertvoll. An der Wand über dem L-förmigen Sofa hingen Erinnerungsfotos hinter rahmenlosem Glas. Familienbilder, die eine traute Idylle zeigten. Auf einigen erkannte Wiebke Ellen Budde in früheren Jahren, mehrmals war sie mit einer anderen jungen Frau zu sehen, wahrscheinliche eine gute Freundin aus Kindheitstagen. Möglicherweise aber auch eine Schwester, denn wenn sie genauer hinsah, erkannte Wiebke die Ähnlichkeit zwischen den beiden Mädchen. Das Sofa war groß und bequem, diente sicherlich auch als Schlafcouch und beherrschte das Wohnzimmer, davor ein niedriger Tisch, darauf eine Zeitung. Der Flachbildfernseher an der Wand lief. NDR, Schleswig-Holstein 18.00. Eine Viertelstunde mit den Nachrichten der Region. Natürlich gab es einen Beitrag über den Unbekannten im Strandkorb.
»Deshalb sind Sie also hier«, murmelte Ellen Budde.
»Allerdings«, nickte Wiebke und setzte sich auf das Sofa. Neben der Zeitung eine Tasse.
»Pharisäer«, kommentierte Ellen Budde, als sie Wiebkes Blick gefolgt war. Ein feines Lächeln huschte um die Mundwinkel. »Mögen Sie auch einen?«
»Danke, nein«, lehnte Wiebke höflich ab.
»Nicht im Dienst – kennt man ja.« Ellen Budde nickte verstehend und bot ihrer Besucherin Platz an. »Ich guck immer Tatort , da lernt man was über Ihre Arbeit.«
Wiebke ließ sich auf das Sofa sinken, die Gastgeberin nahm im Schneidersitz auf dem Sessel vor dem Tisch Platz.
»Es ist im wahren Leben nicht so wie im Fernsehen.«
»Hm.« Die junge Frau nickte und wechselte die Position, indem sie die Beine unter den Hintern zog. »Also«, sagte sie nach ein paar Sekunden unangenehmen Schweigens. »Was wollen Sie hören?«
»Was haben Sie zu erzählen?«
»Der Tote ist nicht gut fürs Geschäft, das steht fest.« Sie nahm die Tasse in die Hand, Wiebke erkannte darauf das Logo des Strandbistros Möwennest . Ellen Budde hielt die Tasse mit beiden Händen, fast so, als müsste sie sich trotz der sommerlichen Temperaturen, die draußen herrschten, daran wärmen. Die junge Frau pustete scheinbar gedankenverloren hinein, bevor sie mit kleinen Schlucken trank.
»Und sonst?« Wiebke beschloss, Ellen Budde erzählen zu lassen und fasste sich in Geduld. Sie lehnte sich im Sofa zurück und betrachtete die Frau.
»Was möchten Sie hören? Schrecklich, was da passiert ist.«
»Ist Ihnen gestern etwas Besonderes während Ihrer Schicht aufgefallen?«
Ellen Budde überlegte. »Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte sie nach einer Weile und schüttelte den Kopf. »Bente, also Frau Harmsen, war ziemlich nervös. Wie ich mitbekommen habe, hatte sie wieder mal Streit mit Ubbo.«
»Streiten die beiden sich öfters?«
»Als Streit würde ich das nicht bezeichnen«, antwortete die junge Frau. »Sie hat sich mal wieder über ihn geärgert. Ubbo trinkt viel und arbeitet zu wenig – ein Umstand, der Bente nicht gerade gefällt, wie Sie sich vorstellen können. Die ganze Arbeit mit dem Hof und dem Bistro bleibt an ihr hängen. Deshalb achte ich auch nicht auf jede Überstunde. Ich helfe ihr, wenn Not am Mann ist.« Sie pustete wieder in die Tasse und trank von ihrem Pharisäer. Dann lächelte sie Wiebke an. »Aber ich denke, das ist nicht das, was Sie von mir wissen möchten. Nein, mir ist nicht zufällig ein einsamer Gast kurz vor Geschäftsschluss aufgefallen, der sich seltsam verhalten hat.«
Wiebke musste lachen. »Das wäre natürlich ein Hinweis. Aber war sonst etwas anders als an den anderen Tagen, wenn Sie Dienst im Möwennest haben?«
Ein Schluck Pharisäer, dann Kopfschütteln. »Die üblichen Gäste, Touristen, die sich bei einem Heißgetränk aufwärmen. Ich kann mich daran erinnern, dass kurz vor Küchenschluss noch eine Portion Rührei und Bratkartoffeln bestellt wurden. Ein einzelner Gast offenbar, der noch Hunger hatte.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»So gegen neun Uhr abends. Ich erinnere mich deshalb daran, weil ich einigermaßen sauer war, dass Bente die Bestellung noch angenommen hat, denn ich hatte die Küche schon so weit sauber.«
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher