Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
startete den Motor, wendete und fuhr zurück zur Landstraße. Er warf Wiebke, die gedankenverloren auf dem Beifahrersitz lümmelte, einen Seitenblick zu. Sie schwieg und betrachtete die Landschaft, die an ihnen vorbeizufliegen schien. Die Weite der Landschaft faszinierte Wiebke. Fast vergaß sie, warum sie hier draußen war. Auf Nordstrand blieb das quirlige Treiben der Stadt weit zurück.
»Was ist, wenn sie es beide waren?«, fragte sie, als sie Schobüll erreicht hatten.
Petersen blickte sie entgeistert an. »Wie meinst du das?«
»So, wie ich es sage.« Wiebke richtete sich im Sitz auf. »Bente hat ein Verhältnis mit einem fremden Mann. Die Sache wird ihr zu heikel und sie vertraut sich ihrem Mann an. Bente Harmsen beendet das Verhältnis, doch ihr Lover kommt mit der Trennung nicht zurecht. Er stellt ihr nach – der klassische Stalker eben. Bente und Ubbo Harmsen machen gemeinsame Sache. Bente lockt Klaus Georgs unter einem Vorwand in ihr Strandbistro. Georgs folgt der Einladung und wird von Ubbo Harmsen erschossen.«
»Seh ich anders«, brummte Petersen. »Wäre es nicht logischer, wenn Bente Harmsen Klaus Georgs selber erschossen hat? Ich meine, ich weiß nicht, ob ich mich auf einen ständig betrunkenen Kerl verlassen würde. Die Gefahr, dass der sich verplappert, wäre mir an Bente Harmsens Stelle viel zu groß.«
»Und wie wäre es, wenn sie ihm den Mord in die Schuhe schieben würde?«
»Oder halten sie doch zusammen? Kennt man doch, den alten Spruch: in guten und in schlechten Zeiten«, zitierte Petersen Harmsens Aussage, als sie ihn auf seine Ehe angesprochen hatten.
»Genau. Was, wenn beide unter einer Decke stecken? Beide hätten ein perfektes Motiv, Jan. Die Frage, warum Klaus Georgs ausgerechnet im Möwennest sterben musste, ließe sich so ebenfalls erklären.«
»Eine Sache gefällt mir trotzdem nicht«, warf Petersen ein, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. »Während Bente Harmsen kein gutes Haar an ihrem Mann lässt, nimmt er sie in Schutz und steht zu seiner Ehe, auch, wenn es im Moment nicht so gut zu laufen scheint. Das passt doch nicht.«
»Kann aber auch sein, dass er die Dinge einfach anders bewertet als sie«, entgegnete Wiebke. »Er säuft, vernachlässigt sich, Bente hat die ganze Plackerei und für ihn ist die Welt in Ordnung.« Sie überlegte, dann fügte sie hinzu: »Oder es gehört schlicht zum Plan, den sich die beiden zurechtgelegt haben. – Was sollen wir tun?«
»Wir sollten die Wohnung unter die Lupe nehmen, in der sie sich mit Georgs zu ihren Schäferstündchen getroffen hat.«
»Dann fahr hin.«
Petersen schüttelte den Kopf. »Das ist ein Job für die Spurensicherung.« Er setzte den Blinker und lenkte den Dienstwagen auf die Tankstelle an der Nordseestraße. Nachdem er den Motor des Passat Variant abgeschaltet hatte, griff er zum Telefon und wählte die Nummer der Mordkommission in Flensburg. Petersen informierte die Kollegen und bat sie, ein Team zur Wohnung des Toten zu schicken. Danach steckte er das Handy in die Innentasche seiner Jacke und stieß die Fahrertür auf. Ein frischer Ostwind wehte ins Wageninnere.
»Was nun?« Wiebke blickte ihn fragend an.
»Was wohl?« Er grinste. »Ich werd mir hier jetzt ein Fahrrad mieten und damit in die Geest fahren.«
Wiebke blickte ihm kopfschüttelnd nach, als er in dem gläsernen Gebäude der Tankstelle verschwand. Kurze Zeit später kehrte er mit den Husumer Nachrichten zurück.
»Willst du jetzt hier Zeitung lesen?«
»Nur den Sportteil«, lachte Petersen und schlug die Zeitung auf. Kurze Zeit später machte er mit triumphierender Miene »aha« und faltete die Tageszeitung unter lautem Rascheln wieder zusammen, um sie auf den Rücksitz zu befördern. Danach startete er den Motor und lenkte den Wagen auf die Nordseestraße in Richtung Husum zurück.
»Und was war das jetzt?« Wiebke verstand Petersens Aktion immer noch nicht.
»Nun wissen wir, dass Ubbo Harmsen lügt. Er hat doch behauptet, das Fußballspiel im Fernsehen gesehen zu haben, bei dem Werder Bremen mit drei Toren gewonnen hat.« Petersen warf Wiebke einen schnellen Seitenblick zu. »Und es stimmt nicht, denn Bremen hat kurz vor Spielende das zweite Tor geschossen und dann in letzter Minute von den Gegnern einen Ausgleich reingekriegt.«
»Wusstest du das wirklich nicht?« Wiebke staunte, hatte sie den Kollegen doch als Fußballfan kennengelernt. »Du bist doch der größte Bremen-Fan in Husum!«
Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
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