Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
hochhielt, damit sie mit dem Wagen darunter durchfahren konnte. Überall parkten Einsatzwagen von Polizei und Feuerwehr, auch einige zivile Dienstwagen, vermutlich die der Kripo. Zwei Männer mit Fotoapparaten liefen aufgescheucht herum und fotografierten die Reste des Bistros aus allen Blickrichtungen. Wahrscheinlich Reporter von der Lokalpresse, dachte Bente.
Am Rande des Platzes stand ein recht neues Wohnmobil. Als sie daran vorüberrollte, registrierte sie das gelbe Nummernschild und tippte auf holländische Urlauber. Dass dem Camper zwei Seitenscheiben fehlten, sah Bente nicht. Sie hatte nur Augen für das, was von ihrem Bistro übrig geblieben war. Tränen sammelten sich in ihren Augen, als sie den Wagen abstellte und ausstieg. Ihre Knie fühlten sich wie Gummi an, während sie über den unbefestigten Parkplatz zu einem hoch gewachsenen Mann in Feuerwehrmontur ging, der sich mit einigen jüngeren Kollegen unterhielt. An seinem Namensschild sah Bente Harmsen, dass es sich bei ihm um den Einsatzleiter handelte. Lütjes betrachtete sie mit einer hochgezogenen Braue.
»Beruhigen Sie sich zunächst einmal«, sagte er in sanftmütigem Tonfall. »Auch wenn das alles schrecklich ist, so kann man doch froh sein, dass kein Mensch zu Schaden gekommen ist. Wäre das tagsüber passiert, dann …« Er brach mit einem stummen Kopfschütteln ab. »Den Rest regelt die Versicherung, und sobald die Ermittlungen der Kripo abgeschlossen sind, werde ich auch das Gelände wieder freigeben können.«
Ungläubig schüttelte Bente den Kopf und glaubte, einen schrecklichen Albtraum zu durchleben. Nahm das Grauen denn nie ein Ende? »Ich … ich muss da hin«, stammelte sie heiser vor Aufregung. Ihr war heiß und kalt, und sie wollte einfach nicht wahrhaben, was sie da sah.
Lütjes schüttelte den Kopf. »Das ist leider nicht möglich, es besteht akute Einsturzgefahr.«
»Was kann ich denn nun machen?« Bente klang verzweifelt. Als sie die Banken endlich für das Projekt gewinnen konnte, hatte Ubbo sie mit der zusätzlichen Arbeit, die das Möwennest machte, alleingelassen. Und dennoch hatte sie gern hier gearbeitet. Sie fühlte sich matt und krank. Es war, als hätte man Bente Harmsen den Boden unter den Füßen weggezogen. Und Ubbo lag im Bett und ahnte nicht, was hier geschehen war. Noch nie hatte sie sich so einsam gefühlt wie in diesem Augenblick.
»Möchten Sie, dass sich ein Arzt um Sie kümmert?«, riss sie die sanfte Stimme des Feuerwehrmannes aus den Gedanken. Lütjes hatte wahrscheinlich schon zahlreiche Einsätze geleitet, bei denen Menschen tragischere Schicksale erlitten hatten, doch es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Bente Harmsen nervlich am Ende war.
»Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Es geht schon.« Sie versuchte zu lächeln. »Da muss ich jetzt wohl alleine durch.« Dann wandte sie sich ab, ging zu ihrem Wagen und startete den Motor, der diesmal beim ersten Versuch ansprang. Die Räder drehten durch, als sie in Richtung Süden verschwand. Sie musste weg von diesem Ort. Und sie musste ein Zeichen setzen.
Das Erste, was sie hörten, als sie ausstiegen, war das Hundegebell. Es wehte ein eisiger Wind, der es schaffte, die tief hängenden Wolken über Nordstrand zu verteilen. Zögernd drang die Sonne durch die Wolkendecke und tauchte die Landschaft in ein milchiges Licht. Doch das saftige Grün der Wiesen wirkte an diesem Morgen nicht so frisch wie sonst, und es schien, als würde ein Damoklesschwert über der Insel hängen.
»Das Auto ist nicht da«, stellte Petersen fest, der sich über das Dach des Dienstwagens lehnte und den Blick über den Hof der Harmsens schweifen ließ.
»Und das da?« Wiebke deutete mit dem Daumen über die Schulter. Unter einem hölzernen Carport stand ein rostiger Toyota, dessen Farbe unter dem verkrusteten Dreck kaum noch auszumachen war. Dort, wo die Scheibenwischer bei Regen über die Windschutzscheibe zirkelten, waren zwei Halbkreise im Glas entstanden, die den Blick auf das Interieur des alten Wagens erlaubten. Wiebke trat heran und blickte ins Innere. Die Sitzpolster waren fleckig und verschlissen, der Aschenbecher im Armaturenbrett stand offen und quoll bereits über. Im Fußraum vor dem Beifahrersitz lag eine Batterie von leeren und zerknüllten Bierdosen. Das Armaturenbrett, einst samtmatt grau, war von einer dicken Staubschicht überzogen und wirkte vom Qualm unzähliger Zigaretten vergilbt.
»Ein Autofan ist er jedenfalls nicht.« Wiebke schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher