Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Motor, der erst nach dem dritten Versuch ansprang. Unwillkürlich bekam sie eine Wut auf Ubbo, der sich trotz ihrer mehrfachen Bitten immer noch nicht darum gekümmert hatte.
Sie hielt es einfach nicht länger aus bei ihm.
Bente fragte sich, was der Nordstrander Polizist zu später Stunde von ihr gewollt hatte, und schob es auf den Mord an Klaus Georgs. Vermutlich waren neue Erkenntnisse aufgetaucht, und Carstensen hatte noch ein paar Fragen an sie gehabt. Nichts, das nicht bis morgen Zeit gehabt hätte, dachte sie.
Klaus Georgs hatte alle Zeit der Welt.
Nun aber hielt sie es nicht mehr aus hier. Bente Harmsen drückte den ersten Gang rein und ließ die Kupplung kommen. Der alte Lieferwagen machte einen Satz nach vorn. Nach wenigen Metern Fahrt erreichte sie das Haus. Sie parkte gleich vor der Tür, stieg aus und marschierte auf den Eingang zu, ohne den alten Wagen abzuschließen. Wer ihn klauen will, muss ihn erst einmal fahren können, dachte sie in einem Anflug von Galgenhumor, bevor sie ins dunkle Haus huschte, hinter sich abschloss und den Hund streichelte, der ihr gleich entgegengekommen war. Nachdem das Tier das Interesse an seinem Frauchen verloren hatte, suchte es seinen Platz im Wohnzimmer auf, rollte sich zusammen und schlief ein.
Bente ging nicht ins Schlafzimmer hinauf, sondern zog sich in ihr Arbeitszimmer zurück. Die Pistole würde sie morgen früh wieder in den Nachtschrank legen. Ubbo würde nicht bemerken, dass sie sich die alte Bundeswehrwaffe geliehen hatte. Normalerweise hasste sie das Ding, doch manchmal gab es einfach keine Alternative. Die Pistole lag schwer in der Tasche der Regenjacke. Ihre Hand glitt hinein und sie fühlte das kalte Metall an ihren Fingern. Als sie den Griff löste, um an ihrer Hand zu riechen, nahm sie den Geruch von Waffenöl wahr und verzog angewidert das Gesicht. Obwohl er sie nie benutzte, pflegte Ubbo die Waffe penibel.
Im Arbeitszimmer angekommen, streifte sie die Windjacke ab und warf sie über die Lehne ihres Bürostuhls. Die festen Schuhe stellte sie in eine Ecke neben der Tür. An den grobstolligen Sohlen klebte Matsch. Im Schein der kleinen Lampe fiel ihr Blick auf die vielen Rechnungen, die darauf warteten, bezahlt zu werden. Rasch wandte sie den Blick ab, legte sich angezogen auf die kleine Couch unter dem Fenster, schlug die Wolldecke auf und schaltete das Licht aus. Es dauerte keine fünf Minuten, und Bente Harmsen war eingeschlafen.
Der nächste Arbeitstag begann mit der obligatorischen Besprechung in Dierks’ Büro. Die Kollegen aus Flensburg waren heute nicht anwesend, und so waren die Ermittler der Husumer Polizeiinspektion auf sich gestellt. Dierks begrüßte die Kollegen und übergab das Wort an Jan Petersen. Wiebke betrachtete ihren Partner. Er war trotz der viel zu kurzen Nacht frisch rasiert und schien ausgeschlafen zu sein. Sie selber fühlte sich wie ein Zombie. Unausgeschlafen und schlecht gelaunt, was sicher auch mit dem Intermezzo mit Tiedje zusammenhing, war sie zur Polizeiinspektion gekommen.
»Ich habe eben mit dem LKA telefoniert, wegen der Explosion auf Nordstrand«, eröffnete Petersen die Runde. »Es handelt sich offenbar um ein Attentat. Jemand hat sich an der Gasanlage des Bistros zu schaffen gemacht. Damit stellt sich uns die Frage, wer Zugang zu diesem unterirdischen Gasschacht hat.«
»Die zuständigen Gasversorger und sicherlich die Harmsens«, vermutete Katja Graf. »Also muss sich der Täter einen Zweitschlüssel zum Schacht besorgt haben – oder er hat das Schloss zerstört, um sich Zutritt zu verschaffen.«
»Wenn jemand eine Gasanlage in die Luft jagen will und auch nur einigermaßen klar im Kopf ist, dann tut er das mit einer Art Zeitzünder«, warf Sven Gerkes ein. »Das würde bedeuten, dass er technisch versiert ist.« Er blickte in die Gesichter seiner Kollegen. »Gehen wir also davon aus, dass die Explosion im Zusammenhang mit dem Fund des Toten steht?«
Petersen wiegte den Kopf. »Ich möchte nichts ausschließen. Zunächst sollten wir Bente und Ubbo Harmsen befragen. Eigentlich sollte das Arne Carstensen bereits erledigt haben, aber er hat die Harmsens in der Nacht weder telefonisch noch persönlich erreicht.«
»Sind sie denn überhaupt zu Hause?«, warf Gerkes ein.
»Wo sollen sie sonst sein?«, antwortete Wiebke mit einer Gegenfrage. »Erstens glaube ich nicht, dass die beiden gemeinsam verreisen würden, zweitens haben sie einen Hof zu versorgen und müssen sich um ihre Ferienwohnungen kümmern,
Weitere Kostenlose Bücher