Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Doppelleben kann ebenso gut daraus bestehen, dass er ausschließlich im Zusammenhang mit Bente den Aliasnamen Klaus Georgs benutzt hat. Um einen Anfang zu machen, brauchen wir eine Liste der Hotels, in denen sich Georgs aufgehalten hat. Vielleicht erfahren wir so etwas über seine Tätigkeit und den gesellschaftlichen Umgang, den er auf seinen Geschäftsreisen pflegte. Danach wissen wir vielleicht etwas mehr.«
»Ich denke, dass das eine Aufgabe für die Kollegen in Flensburg ist«, schaltete sich der Erste Kriminalhauptkommissar ein. »Es ist schon genug Arbeit, dass wir die Kollegen hier vor Ort unterstützen. Die Recherche dürfen die Flensburger gern übernehmen, wie ich finde.«
Niemand am Tisch hatte Einwände, und im Stillen war Wiebke sogar froh über den Einwand ihres Vorgesetzten. So konnte sie sich auf den Fall konzentrieren und war nicht tagelang an den Schreibtisch gefesselt.
Als Petersens Handy klingelte, murmelte er eine Entschuldigung und verließ kurz den Raum. Es dauerte keine zwei Minuten, bis er an den Tisch zurückkehrte. »Das war Arne Carstensen von der Polizeistation auf Nordstrand. Er war ja heute Nacht bei den Harmsens, um ihnen die Nachricht zu überbringen, dass es das Bistro Möwennest nicht mehr gibt. Ihm ist nachträglich aufgefallen, dass der Wagen von Bente Harmsen nicht auf dem Hof parkte, als er dort war. Das muss gegen ein Uhr dreißig gewesen sein.«
Wiebke blickte Jan Petersen betroffen an. »Wir werden gleich hinfahren und sehen, wie sie uns das erklären kann«, schlug sie vor. »Womöglich steht sie doch im Zusammenhang mit den Geschehnissen.«
»Vielleicht stand der Wagen auch einfach in einer Garage oder war gerade in der Werkstatt«, warf Dierks ein.
»Nein, Matthias.« Petersen schüttelte den Kopf. »Ich schätze, dass den Harmsens das Geld fehlt, den Wagen in eine Werkstatt zu bringen. Und eine Garage habe ich auf dem Hof auch nicht gesehen.«
Siebzehn
Es war ein wolkenverhangener Morgen, relativ windstill, aber irgendwie trostlos. Bente Harmsen war todmüde, als sie sich in den alten Lieferwagen setzte und sich auf den Weg zum Möwennest machte. Bevor sie aufgebrochen war, hatte sie Ubbos Pistole an ihren Ort zurückgebracht. Natürlich hatte er nichts davon mitbekommen. Er hatte tief und fest geschlafen, als sie das Schlafzimmer betreten hatte. Wie immer hatte Ubbo auch noch geschlafen, als sie aus dem Haus gegangen war.
Nebelschleier hingen über den Wiesen und ließen Nordstrand wie eine bizarre Scheinwelt wirken. Gestern hatte auch das Autoradio seinen Dienst aufgegeben, und so lauschte sie nun dem Brummen des Motors. Durch die einen Spaltbreit geöffnete Scheibe drang die kühle Luft ins Auto und half ihr, wach zu werden. Sie hatte schrecklich geschlafen auf dem alten Sofa im Arbeitszimmer. Ihr Rücken schmerzte. Nun war sie also wieder auf dem Weg in ihren tristen und frustrierenden Alltag.
Als sie zum Holmer Siel kam, wusste sie, was Carstensen in der Nacht von ihr gewollt hatte. Und sie ahnte, warum mitten in der Nacht das Telefon geklingelt hatte. Schon von Weitem erkannte Bente Harmsen, was geschehen war. Als sie auf die kleine Sackgasse einbog, sah sie die Feuerwehrwagen vor der Ruine des Möwennest s stehen. Polizeiabsperrband flatterte im Wind, und ihr wurde flau im Magen. Bente Harmsens Herz begann zu rasen, als einer der uniformierten Polizisten, die an der Absperrung Wache schoben, auf den Wagen zutrat. Mit zitternden Händen kurbelte sie das Seitenfenster herunter.
»Sie können hier nicht durch«, wurde sie von dem Polizisten belehrt.
»Ich … mein Name ist Bente Harmsen«, stotterte sie und schluckte trocken. »Mir gehört das Bistro. Mein Gott, was ist denn geschehen, um Himmels willen?«
»Es hat eine Explosion gegeben.« Der Polizist stockte, dann blickte er sie mit strenger Miene an. »Hat man Sie denn nicht benachrichtigt?«
»N… nein«, stammelte Bente. »Das Telefon hat in der Nacht geklingelt, aber ich habe nicht abgehoben, weil ich davon ausgegangen bin, dass sich jemand verwählt haben muss. Wir kriegen nachts sonst nie einen Anruf, müssen Sie wissen. Das ist so … – Ich muss zum Bistro.«
»Dann fahren Sie bis zum Anfang des Parkplatzes und fragen Sie nach Herrn Lütjes. Er ist der Einsatzleiter der Feuerwehr und kann Ihnen sicher mehr sagen.«
Die Worte des jungen Polizisten drangen wie durch Wasser an ihre Ohren, dumpf und verzerrt. Bente zitterte am ganzen Leib, als er zurücktrat und die Absperrleine
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