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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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eine alte Dame namens Gertrude Josephina, den Nachnamen habe er vergessen.
    Jetzt musste sie doch lächeln, aber nur ganz kurz: «Eine alte Dame?» Sie stieg vom Traktor und gab ihm die Hand. «Sie sind der Baron aus Deutschland, ich habe Sie schon letzte Woche erwartet.» Ihr Händedruck war so fest, dass Emilio fast aufgeschrien hätte. «Die alte Dame», erklärte sie, «das bin ich. Nur Theresa nennt mich bei meinem Taufnamen, bei allen anderen heiße ich Phina, von Josephina.»
    Emilio wiederholte etwas einfältig: «Phina, von Josephina, verstehe.» Dabei dachte er, dass diese Frau eine bemerkenswerte Ausstrahlung hatte, mit einem Händedruck wie ein Gladiator, mit hellblauen Augen, die im sonnengebräunten Gesicht wie kalte Gletscherseen anmuteten und ihn misstrauisch musterten. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass er nicht wirklich willkommen war. Aber vielleicht täuschte er sich.

[zur Inhaltsübersicht]
    7
    Marco hatte sich übergangsweise im Haus seiner Schwester einquartiert. Bevor er sich eine neue Wohnung suchte, musste er erst seine finanziellen Möglichkeiten ausloten. Tatsächlich hatte er gehofft, im Meraner Versteck mehr Bargeld vorzufinden. Oder zumindest einen Hinweis darauf, wo das Geld gebunkert war. Auf welchem Nummernkonto, in welchem Bankschließfach? Oder vergraben im Wald, in einem Weinberg? Verborgen in einem alten Weinkeller? Er hatte keine Ahnung, aber irgendwo musste es sein. Jedenfalls konnte er sich nicht vorstellen, dass es davon nicht mehr geben sollte als diese läppischen Scheine. Che merda!
    Er saß auf dem Boden einer kleinen Dachkammer. Neben sich eine Flasche Lagrein, aus der er ab und zu einen Schluck nahm. Allora , das gefundene Geld half immerhin über die erste Zeit. Und die Rolex-Uhr an seinem Handgelenk war ja auch ganz nett. Er liebte solche Statussymbole. In diesem Punkt war er ganz entschieden Italiener, kein bescheidener Südtiroler. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Der Lagrein schmeckte nicht schlecht, sogar aus der Flasche. Ihm fiel eine Anekdote ein, die erklärte, wie der Lagrein vor langer Zeit zu seinem Namen gekommen war. Ein verheirateter Weinbauer hatte ein Verhältnis mit einer Dienstmagd. Und immer, wenn er sich nachts aus ihrem Zimmer schlich, peilte sie zuvor auf dem Flur die Lage. Wenn niemand zu sehen war, flüsterte sie: «Die Lag’ isch rein!» Der Winzer nannte seinen Roten fortan «Lagrein». Seine Frau hat nie verstanden, warum.
    Marco dachte, dass er dringend so eine Dienstmagd zum Vernaschen brauchte, oder die betrogene Weinbäuerin oder, noch besser, eine der langbeinigen und vollbusigen Signorine aus dem italienischen Fernsehen. Aber wahrscheinlich würde er heute Abend doch im Puff landen, so kam er schneller ans Ziel. Bordelle waren zwar offiziell verboten, es gab sie natürlich trotzdem. Nach den langen Jahren im Knast wollte er keine Zeit mit Suchen vergeuden. Marco sah auf die Weinflasche und lächelte. Im Puff musste man sich wenigstens keine Gedanken darüber machen, ob die Lage rein war. Es gab keine eifersüchtigen Ehefrauen. Bei ihm sowieso nicht, er war Single, notgedrungen. Auch dieses Projekt würde er angehen, aber alles der Reihe nach.
    Marco blickte auf die Unterlagen, die er vor sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Handschriftliche Aufzeichnungen, Dokumente, Fotos … Da hatte diese Schweinebacke von altem Freund doch alles aufgehoben, was sie an Material gesammelt hatten, sogar noch einiges mehr. Was ihn wieder zum Lagrein brachte: Denn in einem Fall hatte sein Kumpel liebevoll und akribisch die außerehelichen Eskapaden eines prominenten Bozner Mitbürgers dokumentiert. Er kicherte. So rein war die Lage nicht! Die Fotos waren zwar etwas unscharf, aber ihr Geld wert. Nun ja, vielleicht nicht mehr nach all den Jahren, aber auf einen kleinen Erpressungsversuch sollte man es ankommen lassen. Schließlich war der Mann noch immer prominent – und seine Frau bestimmt nachtragend.
    Er nahm einige Fotos von einem anderen Stapel. Diese Bilder kannte er, sehr gut sogar. Immerhin hatte er sie selbst aufgenommen, wie auch die meisten anderen, mit einem Teleobjektiv. Sie hätten nicht schöner sein können, direkt künstlerisch wertvoll. Man musste die Hintergründe kennen, um sie zu verstehen und ihren Wert zu erkennen. Marco zeigte den gestreckten Mittelfinger. Er war eingeweiht, er wusste Bescheid. Und ihm war klar, wo er sich hinwenden würde. Der Mann war in den sogenannten besseren Kreisen sehr bekannt,

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