Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
ein kleines Handy in der Hand, das er extra für diesen Zweck gekauft und angemeldet hatte. Es war aufgeladen und passte perfekt in eine kleine Seitentasche im Pilotenkoffer, die man nicht sofort entdeckte und wohl für wichtige Reisedokumente und Ausweispapiere bestimmt war. Das Handy war nichts Besonderes, aber er hatte es bei einem Trackingsystem registrieren lassen, damit war es dann doch sehr speziell. «Schützen Sie Ihr Kind durch Handy-Ortung» hatte es in der Werbung geheißen. Man könne sein Kind per GPS metergenau orten und sich die Position auf Google-Maps darstellen lassen. Er hatte das Handy freigeschaltet, das Trackingsystem eingerichtet und bereits ausprobiert. Funktionierte tadellos. Wieder musste er lächeln. Die Handy-Ortung sollte nicht sein Kind schützen, seine Tochter würde ihm einen Vogel zeigen, sondern sein Geld, das war fast genauso wichtig. Und weil er sich ungern davon trennte, stopfte er erst mal einige zusammengefaltete Zeitungen in den Pilotenkoffer. Darauf schichtete er bis zur Oberkante einige Geldbündel, ganz akkurat, sodass von den Zeitungen nichts mehr zu sehen war. Das machte einen guten Eindruck. Oben drauf legte er einen vorbereiteten Briefumschlag mit einem kleinen, freundlichen Schreiben. Nun, allzu freundlich war es nicht, das ging schon bei der Anrede los: «Du blödes Arschloch», hatte er geschrieben. Seinen Kindern hatte er die Fäkalsprache verboten, aber hier drängte sie sich einfach auf. Es fiel ihm nicht schwer, sich auf dieses sprachliche Niveau herabzulassen. Es handele sich hierbei um eine Anzahlung, hatte er sinngemäß geschrieben, den Rest gebe es erst zu einem zweiten Termin – und diesmal zu seinen Bedingungen. «Mit der Zeitung kannst du dir den Hintern abwischen», hatte er zum Schluss geschrieben. Zugegeben, das war ziemlich emotional formuliert und definitiv unter seinem Niveau. Aber er wollte dem Erpresser verdeutlichen, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Puttmenger schloss den kleinen Koffer, schüttelte ihn, machte ihn wieder auf – alles an seinem Platz, perfekt. Hatte er etwas vergessen? Er ging erneut zu seinem Safe und entnahm ihm eine Pistole. Aus einer Schachtel versorgte er sich mit Munition, füllte das Magazin und schob es in die Waffe. Dabei dachte er an seine tote Katze. Der Erpresser war zu weit gegangen, entschieden zu weit!
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«Leuchtende, strohgelbe Farbe mit leicht rötlichem Reflex.» Emilio betrachtete den Wein im Glas. Der Beschreibung im Katalog mit den Weinen von Alois Lageder konnte er beipflichten. Wie ging es weiter? «Kräftiges, komplexes Aroma mit Spätlesecharakter. Tropische Früchte in Kombination mit Geruchsnoten, die an Blumen und Kräuter erinnern …» Er roch am Gewürztraminer. Doch, auch das konnte er so durchgehen lassen. Da war noch ein Zitruston. Der «Am Sand» gefiel ihm. «Trocken, mit frischer Säure und einer Bitternote im Abgang.» Einverstanden. Er nahm noch einen Schluck, schaute das Glas wehmütig an – und schüttete den Rest in einen Spuckkübel. Warum hatte er keinen Chauffeur?
Er saß in der Vineria Paradeis in Margreid, gelegen ganz im Süden der Weinstraße, der Strada del Vino , die von Eppan über Kaltern und Tramin hierherführte. Genau genommen, saß er unter einem weißen Schirm im idyllischen Innenhof, ein Bein hatte er auf einem Stuhl gelagert, es schmerzte, obwohl es sein gesundes war. Er hatte längst aufgegeben, seinen Körper verstehen zu wollen. Man könne hier bei einem guten Glas Wein einfach die Zeit vergessen, hatte er gelesen. Genau das versuchte er, in die Tat umzusetzen, allerdings fand er die Beschränkung auf ein einziges Glas wenig zielführend.
Zuvor war er durch Margreid geschlendert, der Ort hat sich den Charme vergangener Zeiten bewahrt, mit seinen malerischen Gassen und Torbögen. An einer Hausmauer hatte er der mit über 400 Jahren ältesten Weinrebe Europas seine Referenz erwiesen. Dann hatte er sich mit Alois Lageder getroffen, dem wohl bekanntesten Winzer Südtirols. Den Termin hatte er schon in München verabredet, unter Vermittlung eines gemeinsamen Bekannten. So war ihm vergönnt gewesen, von Lageder persönlich durch dessen Kellerei im Ansitz Löwengang geführt zu werden. Wie schon bei seinen Gesprächen mit Phina und auf Manincor stand wieder der biodynamische Weinbau im Fokus der Unterhaltung. Alois Lageder orientierte sich konsequent und in allen Bereichen an dieser Philosophie, für die er in Südtirol als Vorreiter
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