Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
galt. Natürlich war auch die Kellerei nach baubiologischen und ökologischen Kriterien errichtet. Von Alois Lageder hatte er sich den verwunschenen Park des Ansitz Hirschprunn zeigen lassen, mit uraltem Baumbestand, mit Farnen und Stauden, hergerichtet nach den Plänen eines australischen Gartengestalters. Auch hatte Lageder den Palast Casòn Hirschprunn aufgesperrt und ihm die historischen Räume gezeigt, wo bei Kerzenschein schon legendäre Weinverkostungen und Jazzkonzerte stattgefunden haben.
Währenddessen hatte Emilio wieder mal verdrängt, warum er eigentlich in Südtirol war. Obwohl er sich in diesem Punkt nicht so sicher sein konnte, schließlich hatten die Weine den Ausschlag gegeben, den Auftrag von Theresa anzunehmen. Natürlich, da war auch der Vorschuss. Dabei fiel ihm ein, dass er mit Steixner dringend einen selbigen vereinbaren und die Zahlung in die Wege leiten musste. Wenn es dumm lief, brachte sich der gute Mann doch noch um – dann stünde er mit leeren Händen da. Das wäre ausgesprochen unerfreulich. Emilio bat sich selbst um Vergebung: Ganz so emotionslos war er nicht, natürlich wünschte er Steixner auch aus menschlicher Anteilnahme ein langes Leben. Die Fixierung auf den schnöden Mammon schuldete er seiner notorisch klammen Finanzsituation. Diese wendete sich allerdings gerade zum Besseren. Zwei Aufträge zur gleichen Zeit hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Er hob das Glas mit dem nächsten Wein seiner kleinen Verkostung, einem «Cor Römigberg Cabernet Sauvignon», und stieß symbolisch auf seine positive Geschäftsentwicklung an. Er könnte es auf die Spitze treiben und Professor Puttmenger als weiteren Kunden akquirieren, schließlich wusste Emilio von Steixner, dass auch der Schönheitschirurg erpresst wurde. Die Aufklärung des einen Falles erledigte den anderen gleich mit. Warum dafür nicht doppelt kassieren?
«Konzentriertes Fruchtaroma, fruchtig, würzig und floral», las er in der Beschreibung. Er ließ den Wein im Glas rotieren und roch an ihm. «Kirsche, schwarze Johannisbeere …» Das war leicht, jeder vernünftige Cabernet hatte diese Geruchsnoten. «Tabak, Veilchen, Minze …» Warum wollte er das so genau wissen, war er bescheuert? Der Wein war kein Quiz, sondern zum genussvollen Trinken da. Er dachte nicht länger über das Bouquet nach und nahm einen kräftigen Schluck. Fast hätte er aus Vergnügen gerülpst, aber das verbot ihm seine gute Kinderstube. Wo war er stehengeblieben? Den Professor Puttmenger als weiteren Kunden anwerben und erneut einen Vorschuss kassieren? Auf einen Versuch könnte er es ankommen lassen. Es widerstrebte ihm zwar grundsätzlich, sich aktiv um Aufträge zu bemühen, aber in diesem Fall könnte es sogar der Aufklärung dienlich sein. Je mehr Informationen er bekam, umso größer die Chancen. Und wenn er mit seiner Arbeit scheiterte, was nicht auszuschließen war, dann hätte er wenigstens die Vorschüsse im Portemonnaie. «Lang anhaltendes, frisches und fruchtiges Finale …» Der Cabernet hielt die Versprechungen in der Weinbeschreibung. Wie war es mit ihm? Würde er seine Versprechungen halten? Was für Versprechungen? Seine «Tante» Theresa hatte er darauf vorbereitet, dass nach zehn Jahren sehr wahrscheinlich nichts mehr dabei herauskommen würde. Und dem Herrn Steixner hatte er auch keine Versprechungen gemacht. Er könnte genauso gut hier sitzen bleiben, Ravioli mit Salbeisauce bestellen und sein lädiertes Bein schonen. Stattdessen fragte er nach der Rechnung. Er war sich wieder einmal selbst ein Rätsel. Menschen mit preußischem Pflichtbewusstsein waren ihm zutiefst suspekt. Er wollte dieser Gattung definitiv nicht angehören. Es gab nur eine Erklärung, die gleichzeitig als Entschuldigung gelten mochte: Seine aktuellen Aufträge fingen an, ihm Spaß zu machen. Er glaubte zu spüren, wie Adrenalin durch seine müden Knochen strömte, was vermutlich eine medizinische Unmöglichkeit war.
***
Einige Stunden später betrat er das Bozner Zentralkrankenhaus. Als Erstes ging er zur Rezeption und ließ sich dort von einer jungen Frau bestätigen, dass man Anrufern oder Besuchern keine Auskünfte über Patienten geben würde. Im Anschluss fragte er, ob Ernst Steixner noch stationär im Krankenhaus sei. Als sie ihm das freundlich bestätigte und auch die Station nannte, bat er um einen umgehenden Besuch ihres Vorgesetzten in Steixners Krankenzimmer, er würde dort auf ihn warten.
Im Krankenzimmer angekommen, informierte er
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