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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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nicht einholen würden. Emilio war ein merkwürdiger Mensch, von zurückhaltender Art, oft wie geistesabwesend und dann wieder unheimlich präsent, einfühlsam und mit einem hintergründigen Humor.
    Phina hatte die Bettdecke bis zum Kinn gezogen, am liebsten hätte sie sich komplett darunter verkrochen, wie ein kleines Kind, das sich vor der Welt da draußen fürchtete. Der Tod ihres Vaters verfolgte sie seit jenem schicksalhaften Tag. «Hast du bei dem Traktorunfall nachgeholfen?» Direkter hätte er nicht fragen können. Eine Antwort war sie ihm schuldig geblieben, stattdessen hatte sie ihn rausgeschmissen. Jetzt konnte er denken, was er wollte. Das war nicht gut, gar nicht gut. Sie hatte eine Chance verpasst, mit ihm über den Tod ihres Vaters zu reden, sich an ihn anzulehnen und auf sein Einfühlungsvermögen und Verständnis zu hoffen. Jetzt war sie wieder alleine mit ihren Erinnerungen – da half auch keine Bettdecke.
    Und Emilios zweite Frage, die eigentlich seine erste war? Dass er sie mit Nikis Ableben in Verbindung brachte, hatte sie fast noch mehr überrascht. «Bist du sicher, dass du mit seinem Tod nichts zu tun hattest?» Warum hatte er so komisch gefragt? Als ob die Möglichkeit bestünde, dass sie sich nicht darüber im Klaren war. War der Gedanke so abwegig? Es gab Menschen, die verdrängten, was sie getan hatten, so lange, bis sie es selber nicht glaubten. War es das, was Emilio mit seiner Frage andeuten wollte?
    «Spinnst du», hatte sie geantwortet. Im Rückblick konnte sie nachvollziehen, wie er darauf gekommen war. Tatsächlich hatte Niki ihren Vater so weit gehabt, ihm das Weingut zu verkaufen. Von wem hatte Emilio diese Information bekommen? Bislang hatte sie geglaubt, dass niemand von dem Vorschuss wusste, den Niki bereits bezahlt hatte. Mit dieser Annahme lag sie offenbar falsch. Und Emilio hatte seine Rückschlüsse gezogen, das konnte man ihm nicht einmal verdenken. Aber wie konnte er sie ernsthaft mit Nikis Tod in Verbindung bringen, wenn es stimmte, dass er sie mochte? Phina wusste: Das war ein sentimentaler Irrglaube. Natürlich schloss das eine das andere nicht aus.
    Jetzt zog sie wirklich die Bettdecke über ihr Gesicht. Sie begann darunter leise zu weinen. Warum hatte sie es so schwer im Leben? Sie hatte niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie dachte an ihre Mutter, die wegen der Asthmaanfälle ihren Lebensabend so gerne am Meer verbracht hätte. Stattdessen hatte sie den Kummer nicht ertragen und war ihrem Mann bald in den Tod gefolgt. Ein Gedanke war Phina schon häufig gekommen, dass nämlich der Traktorunfall nicht nur ein Opfer gefordert hatte, sondern gleich zwei – ihren Vater und ihre Mutter. Phina schnäuzte sich in die Bettdecke. Wenn sie nicht besser auf sich aufpasste, könnte noch ein weiteres Opfer folgen, dann hätten der Traktor und die verdammte Steinmauer eine ganze Familie ausgelöscht.
    Mit dem Schlafen würde es auch in dieser Nacht nichts werden, zu viele Gedanken geisterten durch ihren Kopf. Was war mit Emilio? Würde er seine Nachforschungen fortsetzen? Wie würde er mit seinen Vermutungen und Verdächtigungen umgehen? Alles Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. Kam noch eine weitere hinzu: Würde sie Emilio je wiedersehen? Ihre diesbezüglichen Gefühle waren widersprüchlich: Einerseits hasste sie ihn dafür, dass er die Vergangenheit wieder hatte lebendig werden lassen. Andererseits würde sie gerne mit ihm reden, sich ihm anvertrauen und hoffen, dass er ihr helfen konnte. Aber dazu würde es nicht mehr kommen. Sie hatte ihn davongejagt. «Ich will nie mehr mit dir reden, ich will dich nie mehr sehen.» Das hatte sie gesagt. Und jetzt konnte sie keinen Schlaf finden.

[zur Inhaltsübersicht]
    53
    Beim Aufwachen wäre Emilio fast aus dem Bett gefallen, er hatte den Lichtschalter an der falschen Stelle gesucht – und sich schließlich erinnert, dass er nicht im vertrauten Gästezimmer bei Phina genächtigt hatte. Er hatte die Nacht geschlafen wie ein Stein, tief und traumlos. Umso schwerer fiel es ihm, aus Morpheus’ Armen in den Wachzustand zurückzufinden und sich im Hier und Jetzt zu orientieren. Wahrscheinlich hätte er noch ewig weitergeschlafen, aber sein Handgelenk sendete penetrante Schmerzsignale aus, auch fühlte sich ein Knie an, als habe jemand mit dem Hammer draufgeschlagen. Langsam kehrten die Ereignisse des vergangenen Abends in seine Erinnerung zurück. Für das schmerzende Handgelenk fand er eine Erklärung, für sein Knie

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