Tod und Leidenschaft (German Edition)
in mir wusste dies schon bevor der Abgesandte des Ordens zu mir kam. Aber danach war ich mir dessen absolut sicher.
Immun nicht nur gegen die Huren, sondern auch gegen die Nachstellungen der Polizei. Denn, dass die mich suchen, weiß ich jetzt.
Mit welcher Genugtuung habe ich die erste Zeitung gekauft. Mit welcher Freude den Zeitungsjungen gelauscht, die meine Tat in den Straßen herausbrüllen.
Ja, ich gestehe mir selbst die Eitelkeit, dem Jungen mit der karierten Männermütze nachgelaufen zu sein und förmlich in meinem Ruhm gebadet zu haben.
Wieder und wieder rief er in seinem eigenartigen Singsang die Überschrift: „Grausiger Mord in Whitechapel! Frau zerhackt! … Grausiger Mord in Whitechapel! Frau zerhackt!“
Es war wie eine kleine Melodie, die in meinem Ohr widerhallte, bis ich zu Hause war.
Als ich mein Essen zubereitete, pfiff ich sie sogar vor mich hin. Sie stimmte mich heiter und zuversichtlich. Mit Sicherheit hört auch der Orden die Melodien, die von den heruntergekommenen Mauern widerhallen. „Grausiger Mord in Whitechapel! Frau zerhackt!“
Mein Appetit ist auch wieder zurückgekehrt. Alleine die Aussicht, dass ich den Schmutz bekämpfen kann und werde, hat mich aufgebaut.
Ich bin meisterlich in meiner Selbstbeherrschung, wenn ich sie auch dadurch stütze, dass ich mit besonders offenen Augen durch die Gassen gehe.
Gewiss nähre ich auch meine Vorfreude. Spiele wieder und wieder, in ruhigen Minuten durch, was ich vor mir habe. Der Genuss, den ich mir selbst zu bereiten gedenke, indem ich mir alle Zeit der Welt lasse, um die Nächste so richtig auseinander zu nehmen.
Ich stelle mir ihr Blut vor, wie es über meine Hände fließt. Und dies so plastisch, dass ich die Augen öffnen muss, und meine Finger betrachten, um zu wissen, dass diese Vorstellung nur meiner Fantasie entsprungen ist.
Ich werde mit der kühlen Sachlichkeit eines Arztes beim nächsten Mal vorgehen. Nicht mehr dieses übereilte Zustechen und Aufschlitzen.
Wie sehr wünschte ich, mir fiele etwas ein, das die Hure zum Schweigen brächte, ohne sie zu töten, oder auch nur ihrer Sinne zu berauben.
Sie müsste hellwach sein. Jeden Schnitt, jeden Stich bei vollem Bewusstsein erleben und sich doch weder wehren, noch schreien können.
Doch leider fällt mir nichts ein.
Und schreien können diese Weiber. Man hört sie ja tagein tagaus keifen und zetern.
Nur gut, dass sie praktisch alle besoffen sind. Ihre Sinne sind ausgeschaltet. Und bis sie kapieren, dass ein Messer in meiner Hand ruht, sind sie tot.
Bei dem Gedanken kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Wie unverständlich es mir doch heute scheint, dass diese Weiber mich so bedrängen konnten, so in Rage bringen.
Ja – haben sie mich nicht beinahe geängstigt? Über jenen Umstand denke ich nach wie über einen fernen Menschen. Wie über einen Fremden fast.
Heute bin ich ihr Meister. Ich entscheide, wann welche von ihnen stirbt. Ich sollte ihnen befehlen, sich in einer Reihe vor mir aufzustellen, damit ich entscheiden kann, welche es als nächstes treffen soll.
Ach, das wäre lustig. Die Angst in ihren Augen zu sehen …
Man könnte sich auch ein Spiel daraus machen: auf eine deuten und dann sagen: „Ach nein, doch nicht.“
Es schüttelt mich vor Lachen bei dem Gedanken. Herrlich!
Ich frage mich nur, welches das Zeichen sein wird, das mir die Nächste offenbart.
Aber egal. So viel Geduld. So unendlich viel Geduld.
Mit Freude und – ja – einer gewissen Eleganz flaniere ich durch die dreckigen Gassen und betrachte die Auslagen. Oder zumindest, was sich mir und meinen Plänen als Auslagen darstellt.
Dass es heute Nacht so weit ist, war mir schon klar, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Es war etwas in mir, dass mir sagte: Es ist so weit!
Welches Glück! Welche Seligkeit! Ich bin förmlich durch die Straßen geschwebt auf meinem Weg zur Arbeit.
Ich wollte es herausrufen. Damit es jeder weiß! Ach, wenn ich nur Plakate drucken lassen könnte, auf denen ich meine nächste Tat ankündige.
Wie hat der Sendbote des Ordens so schön gesagt: „Lass diese Stadt erbeben vor deinen Schritten!“
Und genau das werde ich!
Heute Nacht werde ich jeden Atemzug auskosten. Jetzt bin ich ein Gourmet, der langsam jeden Bissen genießt. Jeden Hauch auf seiner Zunge schmelzen lässt und sich für den Rest seiner Tage dieses köstlichen Mahls erinnern wird.
Nicht wie beim ersten Mal, wo ich geschlungen habe, wie ein Verhungernder. Jetzt bin ich der Meister der
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