Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
beschwerlich sein und voller Gefahren. Die Teufel lauern am Rande der Glückseligkeit wie Diebe, sie wollen seine Seele rauben.«
»Wir werden beten, ich verspreche es. Darf ich Euch einstweilen noch auf einen Becher Wein in unser Wirtshaus einladen?«
»Ich danke Euch für soviel Freundlichkeit, aber mein Novize und ich haben noch einen langen Weg zum Leprosenheim am Judenbüchel.« Jaspar zog eine betrübte Miene. »Dieselbe schlimme Geschichte, es ist ein Trauerspiel.«
»Der Herr ruft viele vor seinen Thron in diesen Tagen.«
»Er ruft sie, ihn zu preisen und seinen Ruhm zu singen.«
»Ja, gewiß. Gab es nicht auch in Köln ein paar seltsame Todesfälle?«
»Ich –« begann Jacop und trat zu ihnen.
»Du hältst den Mund«, unterbrach ihn Jaspar knapp und fuhr fort: »Wenn Ihr mir aber einen Gefallen tun wollt, so bitte ich Euch um zwei weiße Mäntel, zwei Paar Handschuhe und Hüte. Wegen eines Feuers in der Waschstube ist man am Judenbüchel etwas knapp damit, und sie wollen morgen in die Stadt. Ach ja, und zwei Klappern. Sofern Ihr dergleichen entbehren könnt, versteht sich.«
»Wartet«, bedeutete ihnen der Mann. »Ich will sehen, was sich auftreiben läßt.« Jaspar sah ihm nach, wie er zwischen den Gebäuden verschwand, und lächelte zufrieden.
»Was soll das heißen, ich bin nicht richtig im Kopf?« zischte Jacop.
Jaspar hob auf seine unnachahmliche Art die Brauen.
»Irgendwie mußte ich Euch schließlich aus dem Schlamassel ziehen. Oder hättet Ihr die Salbung lieber selber vorgenommen?« »Natürlich nicht.« »Na eben. Es ist zu Eurem Besten, wenn man Euch für beschränkt hält.
Immerhin seid Ihr unter dem Wagen des Weinkutschers hierhergelangt, der Melaten regelmäßig beliefert, und der würde wohl im nachhinein ein bißchen böse werden.«
»Böse ist gar kein Ausdruck«, sagte Jacop. »Man hat ihm gesagt, ich sei ein Dieb.«
»Wer? Die Kerle, die den Wagen angehalten haben?«
»Mhm.«
»Interessant! Was sollt Ihr denn gestohlen haben?«
»Einen Gulden.«
»Wie ungehörig«, höhnte Jaspar.
»Nein, laßt die Scherze. Angeblich habe ich nämlich –«
Jaspar schüttelte den Kopf und legte den Finger auf die Lippen. »Reden wir später weiter. Da kommt unser Freund, der Hospitalmeister.« Der Mann, der also der Hospitalmeister war, hatte tatsächlich ein Bündel Kleider für sie geschnürt und auch zwei Klappern beigelegt.
»Ihr seid zu gütig«, dankte ihm Jaspar mit einer großzügigen Verbeugung. Nase und Kinn schossen nach unten, als wollten sie sich in die Erde bohren. Jacop zögerte und folgte dann schnell seinem Beispiel.
»Aber ich bitte Euch«, rief der Mann. »Das ist alles keine Ursache. Wir haben Euch zu danken, Vater.«
»Ihr erhaltet die Sachen zurück.«
»Es eilt nicht. Sie sind übrigens frisch gewaschen, Ihr braucht also keine Angst zu haben, sie zu berühren.«
»Nochmals danke.«
»Gott sei mit Euch auf Eurem schweren Weg.«
Sie verabschiedeten sich von dem Hospitalmeister und verließen das Gelände durch den Obstgarten. Dort war eine schmale Pforte, die den ganzen Tag über offenstand, und dort war Jaspar auch hereingekommen.
Jacop war überglücklich, das Gelände der Aussätzigen verlassen zu dürfen, aber zugleich schämte er sich nachträglich seiner Furcht und wäre gerne noch geblieben. Es nagte an ihm, wieder weggelaufen zu sein, als habe er sich etwas Wichtigem nicht gestellt. Die Situation trieb fatale Erinnerungen an die Oberfläche seines Bewußtseins. Verschiedene Male sah er sich um, während sie die Landstraße nach Köln entlangschritten. Er spürte, daß er diesen unfreiwilligen Besuch so bald nicht vergessen würde. Und dann, ganz plötzlich, fühlte er sich wieder stark und voller Leben. Die Aussätzigen hatten alles verloren. Er konnte immer noch gewinnen.
Jaspar schien seine Gedanken zu erraten.
»Sie gehen leichter mit ihrer Krankheit um als die Gesunden«, sagte er. »Wenn einer unheilbar krank und für die Welt gestorben ist, was hindert ihn dann noch, über sich selbst zu lachen? Sie sind ohne Hoffnung, aber genauer müßte es heißen, daß sie frei von Hoffnung sind. Ein gewaltiger Unterschied! Der Sieg über Mutlosigkeit und Verzweiflung liegt oft gerade im endgültigen Scheitern.«
»Wart Ihr schon früher hier?« fragte Jacop.
Jaspar nickte. »Verschiedene Male.«
»Hattet Ihr niemals Angst, Euch anzustecken?«
»Nein. Wißt Ihr, das wird alles etwas übertrieben. De facto, obwohl es keiner wahrhaben will, muß man
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