Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Maria Magdalena, von Euch kleinem Gauner ganz zu schweigen. Und was zudem, wenn Mathias und Theoderich nur zwei von vielen sind, Mitglieder einer mächtigen Verschwörung? Vielleicht lauft Ihr mit Eurem Wissen zum Bürgermeister, und ausgerechnet der ist mit im Bunde?«
Jacop ließ den Kopf hängen.
»Was können wir dann noch tun?« fragte er ratlos.
»Was ich Euch gestern schon geraten habe«, erwiderte Jaspar. »Angreifen. Wir werden nie die Wahrheit finden, wenn wir uns auf das bereits Gefundene beschränken. Sagte schon Gilbert von Tournai. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam. Unsere einzige Chance ist, rauszufinden, was sie vorhaben, um ihnen im entscheidenden Moment einen Schritt voraus zu sein. Gestern betraf der Ratschlag Euch. Heute betrifft er uns beide.«
Er legte den Kopf in den Nacken und sah einem Strich Gänse nach, die auf ihrem Weg nach Süden über das Land zogen. »Wenn es nicht schon zu spät ist«, murmelte er.
Richmodis
Es war ein gleichmäßiges Holpern und Quietschen, das sie wieder zu sich brachte. Ihr erster Eindruck war, sie müsse ersticken. Sie versuchte, sich zu bewegen. Es gelang ihr nicht, obgleich sie einige ihrer Gliedmaßen schmerzhaft spürte und andere dafür gar nicht. Eine Weile dachte sie darüber nach, woher die Schmerzen kamen. Dann begriff sie, daß jemand sie
von oben bis unten mit Riemen verschnürt hatte, die tief ins Fleisch schnitten und ihren Körper unnatürlich zusammendrückten.
Sie wollte schreien, aber etwas Dickes, Weiches steckte in ihrem Mund. Kein Wunder, daß sie kaum Luft bekam. Schwach hörte sie Rufen, das Wiehern von Pferden, Straßenlärm. Nach einer Weile nahmen die Geräusche ab, nur das Holpern blieb. Sie lag auf einer schiefen Ebene in völliger Schwärze und fühlte Panik in sich aufsteigen. Wieder versuchte sie, sich zu bewegen. Etwas legte sich fest auf ihre Schulter.
»Ruhig«, sagte eine sanfte Stimme. »Oder ich muß Euch töten.«
Sie erzitterte und wagte nicht mehr, sich zu rühren. Das letzte, woran sie sich erinnern konnte, war Rolof gewesen, wie er sich auf den großen Fremden gestürzt hatte, einen Fremden, den sie erkannt zu haben glaubte, ohne daß sie ihn je zuvor gesehen hatte. Jacop hatte von ihm erzählt. Der Fremde war Gerhards Mörder. Er hatte sie niedergeschlagen.
Kaum fähig, zu atmen, lag sie da und versuchte, ihre Angst niederzukämpfen. Sie war kurz davor, durchzudrehen. Aber wenn sie die Nerven verlor, würde er seine Drohung vielleicht wahrmachen.
Endlich hörte das Holpern auf. Sie fühlte sich von der Ebene heruntergezogen und fiel weich zu Boden. Unmengen von Decken wurden von ihr genommen, bis sie den Blick wieder freibekam. Sie mußte ausgesehen haben wie ein unförmiges Paket, nicht mehr als Mensch zu erkennen.
Der Mann beugte sich über sie. Seine schimmernde Mähne fiel bis zu ihr herab, so daß sie sich fühlte wie im Innern einer Trauerweide. Dann wurde sie aufgehoben. Er löste einige der Riemen. Endlich konnte sie ihren Körper wieder strecken, aber es tat höllisch weh, als das Blut zu zirkulieren begann und in die tauben Gelenke zurückfloß. Der Mann zog ihr den Knebel aus dem Mund, und keuchend lag sie auf dem Rücken, voller Furcht und zugleich dankbar für die frische Luft. Zumindest der Erstickungstod war ihr erspart geblieben.
Sie hob den Kopf. Ihr Blick schweifte hin und her, versuchte zu ergründen, wo sie sich befand. Die Wände waren grob gemauert, die Decke mit den wuchtigen Querbalken rußgeschwärzt. Durch winzige Scharten fiel ein wenig Licht herein, in dessen Schein sie Jaspars Handkarren sah.
Sie war auf dem Handkarren hergebracht worden! Wo, um alles in der Welt, war Rolof ?
Der Fremde betrachtete sie reglos. Vorsichtig versuchte sie, die Hände
auszustrecken, aber abgesehen von den Schnüren, die ihren Körper zusammengedrückt hatten, war sie immer noch an allen Gelenken gefesselt und unfähig, sich zu rühren.
»Wo bin ich?« fragte sie schwach.
Er trat wortlos hinter sie und zog sie hoch, bis sie aufrecht und zitternd zu stehen kam. Mühelos stemmte er sie weiter in die Höhe und trug sie zu einem der massiven Pfeiler, welche die Decke stützten.
»Bitte sagt mir, wo Ihr mich hingebracht habt«, flehte sie. Er lehnte sie gegen den Pfeiler und begann, sie festzubinden, bis sie fast ein Teil davon geworden war.
Dann durchzuckte sie ein Hoffnungsschimmer. Wenn er sich soviel Mühe gab, konnte er unmöglich vorhaben, sie zu töten. Wenigstens nicht sofort. Offenbar
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