Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
zimperlich.«
Seine Brauen zogen sich zusammen.
»Ich habe kein persönliches Interesse daran, Euch zu quälen«, sagte er. Seltsamerweise klang es aufrichtig. »Ach, nein?«
»Nein. Was ich tue, dient einfachen Zwecken. Weder finde ich Vergnügen im Töten noch belastet es mich. Ich habe einen Auftrag angenommen, in dessen Verlauf der Tod einiger Menschen notwendig wurde, das ist alles.«
»Das ist noch lange nicht alles, habe ich recht?«
»Ihr seid zu neugierig, schöne Richmodis. Ich werde jetzt gehen.«
»Warum fügt Ihr den Menschen so viel Leid zu?«
Er schüttelte den Kopf. »Es obliegt nicht mir, jemandem Leid zuzufügen. Ich trage keine Verantwortung für den Tod. Mir ist es gleich, wieviele Menschen auf welche Weise sterben. Es spielt keine Rolle. Die Welt ist ohne Ziel. Sie bleibt, was sie ist, ob mit oder ohne Menschen.«
Wut stieg in ihr auf.
»Wie könnt Ihr so zynisch sein? Jedes Menschenleben ist heilig, jeder Mensch von Gott geschaffen und gewollt.«
»Gott existiert nicht.«
»Dann beweist es mir!« beharrte sie.
»Nein.«
»Weil Ihr es nicht könnt.«
»Weil ich es nicht will.«
»Beweist es!«
»Wozu?« Er sah sie beinahe mitleidig an. »Ich weiß, daß er nicht existiert. Aber Ihr habt keinerlei Recht, den Beweis seiner Nichtexistenz von mir einzufordern. Wenn Ihr partout meint, ich sei dessen nicht fähig, kann ich gut damit leben. Glaubt meinethalben, was Ihr wollt.«
Er hob den Knebel. Ich verliere ihn, dachte Richmodis. Ich muß mehr über ihn erfahren, es muß doch irgendwo noch ein Funke Gefühl in ihm stecken. »Was hat man Euch angetan, daß Ihr so geworden seid?« fragte sie, erstaunt über ihre eigenen Worte.
Seine Miene erstarrte zu Stein.
Einen kurzen Moment lang glaubte Richmodis, es geschafft zu haben, zu ihm vorgedrungen zu sein. Dann lächelte er plötzlich wieder.
»Das war nicht übel.« In seiner Stimme mischten sich Spott und Bewunderung. Rasch stopfte er ihr den Knebel zwischen die Zähne, drehte sich um und schritt mit wehendem Umhang zur Tür.
»Aber leider nicht gut genug! Sorgt Euch nicht, mein Stern, ich werde zurückkommen, und vielleicht lasse ich Euch sogar frei. Einstweilen seid Ihr hier gut aufgehoben. Weder der Fuchs noch Euer geliebter Onkel dürften es jetzt noch wagen, abstruse Geschichten über einen angeblichen Mord zu verbreiten.«
Die Scharniere knarrten, als er die Tür aufzog. Kurz sah Richmodis einen leeren Hof mit einer Mauer davor.
»Benehmt Euch ziemlich, wie es sich für ein wohlerzogenes Fräulein gehört.« Im hereinbrechenden Licht des späten Nachmittags war er nurmehr ein Schatten, eine Einbildung, ein böser Traum. »Und wenn Ihr unbedingt einen Beweis braucht für das Fehlen jeglicher göttlicher Vorsehung und die absolute Sinnlosigkeit menschlicher Existenz, denkt einfach an mich. Ich bin der Beweis. Einer von Millionen.«
Krachend flog die Tür hinter ihm zu. Sie war alleine mit den Ratten. Urquhart ließ sich gegen die Mauer des alten leerstehenden Lagerhauses fallen und schloß die Augen.
Die Bilder drohten wieder lebendig zu werden. Er spürte, wie es ihn herabzog in den roten Strudel der Erinnerungen, aus dem ihm die Geräusche entgegenbrandeten, diese merwürdig hohen Töne, von denen er nie gedacht hatte, daß Menschen sie hervorbringen konnten.
Nein! Das bin nicht ich, dachte er. Es sind die Erinnerungen eines anderen. Ich habe keine Geschichte.
Er entspannte sich.
Mathias hatte dem Knecht, der ihm den Weg ins Lagerhaus beschrieben hatte, eine Nachricht mitgegeben, aus der hervorging, daß Jaspar und der Fuchs unter Klein St. Martin entkommen waren. Im Grunde hatte Urquhart damit gerechnet. Jetzt beglückwünschte er sich zu seinem Besuch in der Severinstraße. Es machte nichts, daß sie entwischt waren. Nicht das geringste. Sie konnten die Suche einstellen.
Kurz überlegte er, ob es besser sei, wieder hineinzugehen und die Frau zu töten. Er würde sie ohnehin töten, wenn alles vorbei war, warum also nicht schon jetzt? Aber möglicherweise war es klüger, sie vorerst am Leben zu lassen. Er brauchte sie, um Jaspar und den Fuchs in die Falle zu locken und alle, die seine Geschichte gehört hatten. Er würde den folgenden Abend für die Übergabe der Geisel ansetzen, hier in dem verlassenen Lagerhaus der Overstolzen. Hatte er sie alle beisammen, konnte er sie nacheinander töten und das Gebäude dann in Brand setzen. Man würde einige verkohlte Leichen finden. Ein Unfall, nichts weiter.
Falls dergleichen
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