Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
gerichtet. Sein Nasenbein war eingeschlagen. Aber das war nicht das eigentlich Furchtbare an seinem Anblick, sondern vielmehr die Art, wie der Mörder ihn hergerichtet hatte. Eine Strähne dicker, dunkler Locken fielen aus seinem weit geöffneten Mund über die Brust herab und kringelte sich über den Wanst. Und dort – »Sie haben ihn aufgeschlitzt«, keuchte Jacop. Jaspar mahlte mit den Zähnen. »Ja.«
»Aber warum? Oh, verdammt, was hat er ihnen denn getan, er war doch keine Gefahr für sie! Er –« Seine Stimme versagte. In plötzlicher Erkenntnis griff er nach den abgeschnittenen Locken und zog sie aus Rolofs Mund. »Richmodis«, flüsterte er. Jaspar zeigte auf Rolofs Stirn. »Seht.«
Er wirkte fast sachlich, als untersuche er ein hochinteressantes physikalisches Phänomen. Nur sein Zeigefinger zitterte.
Jacop beugte sich vor. »Was ist denn das?«
Die Stirn des toten Dieners war an mehreren Stellen beschmiert. Verschlungene Zeichen bildeten ein kompliziertes Muster. »Es ist Schrift«, erwiderte Jaspar. »Darum wurde er so zugerichtet. Sein Mörder brauchte Blut zum Schreiben.«
»Und was –«
»Eine Botschaft.« Er sank neben Rolof auf die Bank und legte das Gesicht in die Hände. Jacop schauderte. Er hatte Angst, die Wahrheit zu erfahren, obwohl er sie längst ahnte. »Schon raus damit«, sagte er heiser. »Wie lautet die Botschaft?«
»Sie lebt. Schweigt.«
Rheingasse
Johann stützte das Kinn in die Hände und betrachtete unschlüssig sein Gegenüber.
Nachdem Mathias einen der Bediensteten losgeschickt hatte, um Urquhart den Weg zum alten Lagerhaus zu weisen, hatte Johann versucht, eine Blitzversammlung einzuberufen – ein hoffnungsloses Unterfangen an einem arbeitsreichen Wochentag. Immerhin waren Theoderich, ein ziemlich angetrunkener Daniel und Heinrich von Mainz erschienen. In kurzen Zügen hatte er sie über die Geiselnahme informiert. Die Reaktionen der Männer fielen unterschiedlich aus. Während Heinrich wie immer ohne rechte Meinung war, schaute Theoderich unglücklich drein. Johann verstand ihn. Sie hatten eine Lawine von Ereignissen ausgelöst. Die Situation begann sich zu verselbständigen. Urquhart machte inzwischen die Spielregeln, während die Reinheit ihres Bundes zunehmend vom Schmutz abscheulicher Notwendigkeiten besudelt wurde. Das Mittel schwang sich auf zum Zweck.
Daniel hingegen zeigte sich begeistert und pries Urquharts Scharfsinn in den höchsten Tönen. Sein eigener Sohn widerte Johann an. Natürlich hatte Daniel recht. Allerdings nur, solange es die Position des Verstandes betraf. Zunehmend jedoch fragte sich Johann, ob sie nicht in Wahrheit Sklaven eines Ungeistes geworden waren, der sie in die falsche Richtung wies. Ob die Richtung überhaupt je gestimmt hatte.
Anschließend hatte er noch eine Stunde gearbeitet, ohne recht bei der Sache zu sein. Schließlich hatte er es aufgegeben und war nach Hause gegangen, um zu beten und dann zum Zimmer der alten Frau hochzusteigen, um auch sie zu informieren und sich an ihrer Standhaftigkeit zu wärmen.
Aber die alte Frau schlief.
Er hatte lange am Fenster gestanden und hinaus auf den einsetzenden Regen geschaut. Der Abend rückte näher und damit die Zeit, da im Haus gegessen wurde, aber er verspürte keinen Appetit. Müde bat er Hadewig, ihn eine Weile alleine zu lassen, zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und hoffte, die Nacht würde schnell vorübergehen, auch wenn ihm vor dem morgigen Tag graute.
Lange blieb er nicht allein. Es war Kuno. Der junge Patrizier bat ihn eindringlich, wieder an ihren Versammlungen teilnehmen zu dürfen.
Johann schwieg und versuchte, seine Unsicherheit hinter Ausdruckslosigkeit zu verbergen. Tief im Innern verstand er sogar Kuno immer besser. Aber sie waren schon zu weit gegangen. Sie konnten nicht mehr zurück, und hierin mochte Kunos fataler Irrtum liegen. Alles rückgängig machen zu wollen, auch wenn er vorgab, ihrer Sache wieder aus ganzer Überzeugung anzuhängen.
Johann legte die Hände zusammen und schüttelte langsam den Kopf.
»Nein«, beschied er.
»Was fürchtet Ihr?« fragte Kuno.
»Eure Inkonsequenz«, erwiderte Johann. »Ihr habt Euch zu einem Kampf gemeldet, den Ihr ohne Waffen austragen wollt. Besiegen möchtet Ihr den Feind, ihn aber gleichzeitig schonen. Schlachten werden auf dem Feld geschlagen, nicht im Kopf. Ich würde Euch zutrauen, uns alle zu vernichten, nur weil Ihr glaubt, jemand anderen damit retten zu können.«
»Das ist nicht –« begehrte Kuno
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