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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nach dem morgigen Tag überhaupt noch eine Rolle spielte.
    Interessiert betrachtete er die langen Schatten der Mauerzinnen auf dem Hof. Sie krochen auf das Haus zu, als wollten sie danach greifen. Das Bild gefiel ihm. Die schwarzen Finger des Schicksals, geradezu poetisch! Vielleicht sollte er Gedichte schreiben. Inzwischen besaß er so viele Reichtümer, daß er für den Rest seines Lebens tun konnte, was das einzig Erstrebenswerte war. Genießen! Ohne Rücksicht und Reue, ohne Schranken, ohne Sinn und Plan und Schuldgefühle, ohne einen einzigen Gedanken an Vergangenheit und Zukunft. Seine Vergnügungen würden grenzenlos sein, sein Schwelgen unendlich, und die Bilder würden endgültig verblassen und nie wiederkommen. Vielleicht gefiel es ihm, sich zu einem Gelehrten aufzuschwingen und sich einen Palast der Weisheit zu errichten, dessen Hof das Santiago de Compostella abendländischen Forscherdrangs werden könnte und zu dem die größten Geister der Christenheit pilgerten. Er würde ihre Kühnheit ermutigen und sich dann königlich amüsieren über die Narren, die nach einem Sinn des Lebens suchten. Er würde sie fördern und im richtigen Moment fallenlassen. Er würde beweisen, daß Gott nicht existierte und nichts, was ihm gleichkam, daß die Welt nichts als ein schwarzer Abgrund war, in dem es kein Ziel gab außer der Hingabe an den Augenblick, bar jeder Moral, Verpflichtung und Tugend, daß nicht einmal diesem lächerlichen Nominalismus eine Bedeutung zukam, weil es hinter den Begriffen keine Wirklichkeit gab, kein Gut und kein Böse, nichts!
    Er wäre der Herrscher des Nichts. Ein reizvoller Gedanke.
    Diese eine Aufgabe blieb noch zu erfüllen, hier in Köln, dann würde er Schluß machen mit dem Töten und sich dem Genießen hingeben. Es war beschlossen!
    Urquhart stieß sich von der Mauer ab und verließ den verfallenen Hof. Von jetzt an bis zum frühen Morgen hatten Mathias und er verabredet, sich alle zwei Stunden zu treffen, falls etwas Unvorhergesehenes passierte. Dazwischen blieb ausreichend Gelegenheit, nach dem Mädchen zu sehen. Vielleicht fand er ja doch noch Lust an einer Unterhaltung.
    Die Botschaft
    Vor der Stadtmauer, außer Sichtweite der Torwachen, zogen sie die Kleider der Leprosen an. Jacop hatte immer noch Angst, sich anzustecken, aber Jaspar versicherte ihm, es bestehe keine Gefahr. Sie nahmen die Klappern und näherten sich dem Stadttor. Es war den Versuch wert. Obgleich es den Aussätzigen nur an wenigen Tagen im Jahr gestattet war, Köln zu besuchen, nahm man es damit nicht so genau, vorausgesetzt, die Bettler wiesen sich vorschriftsmäßig durch ihre Tracht und die Klapper aus.
    Heute schien so ein Tag der Barmherzigkeit zu sein. Die Wachen ließen sie passieren. Sie wanderten unter der Porta hanonis hindurch und machten reichlich Lärm. Wer sie sah, unterzog sich nicht der Mühe einer genaueren Betrachtung, und darum fiel es auch niemandem auf, daß unter den weißen Mänteln Kutten statt Kniehosen hervorschauten und die beiden Verdammten bei näherem Hinsehen vor Gesundheit strotzten.
    Jacop hatte seine Zweifel angemeldet.
    »Eine ziemlich auffällige Tarnung.«
    »Und darum eine besonders gute«, hatte Jaspar erwidert. »Die beste überhaupt. Der ideale Weg, nicht aufzufallen, ist ein möglichst auffälliges Benehmen.«
    »Verstehe ich nicht.«
    »Himmeldonnerwetter! Wozu lasse ich seit zwei Tagen das Licht meiner Weisheit über Euch leuchten? Jeder, der uns an den Kragen will, würde doch davon ausgehen, daß wir uns wie Diebe durch die Gassen schleichen. Sie halten Ausschau nach zwei geduckten, dahineilenden Hasenfüßen. Daß wir uns sogar noch bemerkbar machen, käme ihnen niemals in den Sinn.«
    »Den Knechten nicht. Dem Langhaarigen vielleicht schon.«
    »Auch der ist nicht allwissend.«
    So hatten sie sich ohne besondere Hast durch die Stadt begeben, während die Sonne unterging und die Schatten in den Straßen zu einheitlichem Grau verschmolzen. Immer wieder mußte der Physikus Jacop am Mantel festhalten.
    »Lauft nicht.«
    »Haben wir etwa Zeit zu verlieren?« schimpfte Jacop.
    »Nein, nur das Leben. Aussätzige laufen nicht.«
    Von Osten kam Wind auf. Er trieb Blätter und Unrat vor sich her. Sie überquerten den Neumarkt, auf dem gerade der Viehmarkt zu Ende ging, schlenderten entlang St. Peter in die Sternengasse und von dort auf die Hochpforte. Ihre einzige Schwierigkeit bestand darin, der Mildtätigkeit einiger frommer Christen aus dem Wege zu gehen, die ihnen Geld

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