Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
gelegen, jemanden im Hospital zu besuchen.« Jaspar lächelte. »Wenn es keine Umstände macht, versteht sich.«
Der Abt setzte eine gewichtige Miene auf und verschränkte die Arme auf dem Rücken. Er gab sich den Anschein, die Sache ausgiebig zu erwägen.
»Ihr seid spät dran«, meinte er skeptisch.
»Ich weiß.«
»Spracht Ihr nicht zu Bruder Lorenz hier von teuflischen Machenschaften? Ihr wißt, die Brüder in diesem Kloster fürchten den Teufel zu jeder Zeit, aber die Erfahrung lehrt uns, daß er gerade nach Dunkelheit sein schlimmstes Unwesen treibt, weshalb wir so späte Gäste einer besonders kritischen Prüfung unterziehen müssen. Mißversteht unsere Vorsicht nicht als Mißtrauen, es ist nur –«
»Keineswegs«, unterbrach ihn Jaspar. »Und um den Teufel zu benennen, von dem ich sprach: es ist der Teufel, der aus der Vergangenheit entsteigt, um uns im Innersten zu quälen. Alte Wunden brechen auf. Aber oft sind es gerade die alten Wunden, aus denen man auf neue Waffen schließen kann – wenn Ihr versteht, was ich meine.«
Der Abt verstand es eindeutig nicht, aber er neigte leutselig den Kopf.
»Desweiteren«, fuhr Jaspar fort, »manifestiert sich der Teufel im Wahnsinn, und er spricht aus den Mündern der Verwirrten. Ich will damit nicht sagen, daß Ihr den Teufel beherbergt – da die Salbe Eurer Wohlfahrt, wie ich hörte, auch die Pein jener armen Seelen lindert, deren Gedanken in babylonischer Verwirrung ziellos durcheinanderrasen –«
»Wir haben eine entsprechende Abteilung dafür eingerichtet«, bemerkte der Abt nicht ohne Stolz.
»Ja, sie wird hochgerühmt, und dem Ruf Eurer Barmherzigkeit eilt nur die Kunde Eurer Gelehrtheit voraus. Oder war's umgekehrt? Ich weiß auch, daß einige Eurer Mitbrüder über ganz erstaunliche Erkenntnisse auf diesem Gebiet verfügen. Was allerdings den Kern meines Anliegens betrifft, so lebt in eben dieser Abteilung ein armer Mensch, dessen Name, glaube ich, Hieronymus ist, und der uns vielleicht helfen kann, dem Teufel auf die Spur zu kommen.«
Der Abt wurde hellhörig. »Wie ist das zu verstehen?«
»Genauere Einzelheiten«, sagte Jaspar geheimnisvoll, »bitte ich mir zu erlassen, die Angelegenheit ist von äußerster Delikatesse und findet das Interesse höchster Kreise.«
»Hier in Köln?« raunte der Abt.
»Eben hier. Der arme Mann, nach dem ich suche, verlor in Akko beide Beine –«
»Ja, das ist Hieronymus!« »Bestens! Wir müssen ihn sprechen.«
»Hm. Das geht so einfach nicht, liebe Brüder. Er wird schlafen. Hieronymus schläft viel in diesen Tagen, ich glaube, der Schlaf des Ewigen ist ihm nahe.«
»Um so wichtiger dann, dem Schlaf des Ewigen zuvorzukommen«, stellte Jaspar fest. »Es wird nicht lange dauern, und wenn Hieronymus nichts zu berichten hat, soll er getrost weiterschlafen.«
Jacop fröstelte. Sie befanden sich im Kreuzgang rund um den Innenhof, und durch die schmalen Rundbogenfenster blies der Wind und zerzauste das Feuer der Pechfackeln in den eisernen Wandringen.
Wieder dachte der Abt lange nach.
»Nun gut«, ließ er sich endlich herab. »Einem heiligen Werk will ich mich nicht entgegenstellen und auch nicht einer gewissen – sagen wir, Aura der Hilfsbereitschaft und mystischen Größe, die unser Kloster von jeher glänzen macht, ein Glanz, der natürlich genährt sein will –«
»Es wird noch mehr erglänzen, das verspreche ich Euch!«
»Ihr würdet – ähm – Zeugnis ablegen?«
»Wo immer ich kann!«
»So sei es denn. In Demut loben wir den Schöpfer. Bruder Lorenz wird Euch zu Hieronymus führen, aber ich bitte Euch, ihn nicht zu lange aus seiner göttlichen Versunkenheit zu reißen. Er ist umweht von der Gnade des Herrn.«
Der Abt entließ sie mit einem Wink, und sie folgten dem schlurfenden Alten durch den Kreuzgang. Nach einer Weile bogen sie in einen unbeleuchteten Korridor ein, an dessen Ende Lorenz eine Tür aufstieß.
Im Halbdunkel sahen sie einen Raum voller Pritschen, darauf schlafende Menschen oder das, was das Schicksal von ihnen übriggelassen hatte. Die Abtei nahm keine Pfründe, sondern pflegte die Kranken um Gottes Gnade und Barmherzigkeit willen, sofern der Rat der Stadt eine entsprechende Empfehlung aussprach. Damit hielt sich das Maß der Verwirrung zwischen den Mauern von St. Pantaleon einigermaßen in Grenzen. Wahrhaft harte Fälle, Tobsüchtige und Gemeingefährliche, steckte man in die Türme der Stadtmauer, die Fenster zum Land gerichtet, damit ihr Geschrei nicht die Anwohnenden
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