Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
verdächtig nach heidnischen Ritualen aus. Ich denke, wir sollten ihn für's erste verschwinden lassen, so sehr mich die Vorstellung auch schmerzt, dem guten Rolof kein anständiges Begräbnis zukommen zu lassen. Bringen wir Goddert nach Hause. Ihr bleibt bei ihm. Ich gehe zurück und«, er hüstelte, »räume auf.«
Goddert ließ sich widerspruchslos an den Armen fassen und hinausbringen. Seine Augen waren blind vor Tränen. Das Wüten des Sturms hatte unterdessen noch zugenommen, und mehrfach konnten sie nur um ein Haar vermeiden, alle zusammen in den Matsch zu rollen. Es grenzte an ein Wunder, daß Goddert überhaupt einen Fuß vor den anderen bekam. Er verfiel zusehends in Apathie. Jacop erinnerte sich, wie er selber vor zwei Tagen den Entenpfuhl entlanggestolpert war, nachdem er Marias Leiche entdeckt hatte, bereit, jede Lüge zu akzeptieren, wenn sie nur besser wäre als die Wahrheit, erschüttert und doch seltsam unbeteiligt, ein interessierter Beobachter des eigenen Elends.
Der alte Mann tat ihm unendlich leid.
Weiß schraffiert vom Sturm tauchten endlich die Häuser auf der Bach vor ihnen auf. Sie beschleunigten ihr Tempo, die Köpfe zwischen die Schultern gezogen. Goddert wimmerte vor sich hin.
Jacop preßte die Kiefer aufeinander. Dann sah er etwas –
Abrupt blieb er stehen.
Es gab einen ordentlichen Ruck, als Jaspar weiterstapfen wollte. Goddert entglitt ihm, und er stürzte der Länge nach hin, so daß es nach allen Seiten spritzte.
»Zum Teufel, Füchschen«, schimpfte er. »Was soll das werden?«
»Da vorne«, sagte Jacop.
Jaspar kniff die Augen zusammen. Zwischen den Fensterläden von Godderts Haus zeichneten sich schwach schimmernde Linien ab. Licht. »Goddert«, sagte Jaspar langsam, während er sich aus dem Schlamm
erhob. »Hast du irgendwas brennen lassen, als du fortgingst?«
Goddert hob den Kopf und sah Jaspar verständnislos an. »Nein.«
»Keine Kerze, keine Öllampe, kein Feuer im Kamin?«
»Bestimmt nicht. Warum fragst du?«
»Entschuldige, ich hatte vergessen, daß der Herr dir die Gabe der Weitsicht geraubt hat. Es sieht so aus, als hättest du Besuch bekommen. Erwartest du welchen?«
»Ich erwarte überhaupt niemanden. Du mußt dich irren.« Dann ging ein Leuchten über Godderts Gesicht. »Aber vielleicht – vielleicht ist Richmodis zurückgekommen!«
Er versuchte, sich loszumachen. Jaspar packte ihn.
»Unsinn, Goddert, sieh den Tatsachen ins Auge. Sie wurde entführt.«
»Nein«, schrie Goddert. »Es ist Richmodis, mein Kind ist zurückgekommen! Mein Kind! Siehst du, Jaspar, es war alles nur ein schrecklicher Irrtum, und sie ist wieder da, laß mich endlich los!«
»Goddert, verdammt noch mal!«
»Nein, laß mich!« Mit einem Mal schienen sich seine Kräfte verdreifacht zu haben. Er riß sich los und rannte auf das Haus zu. »So ein Narr!« fluchte Jaspar. »Goddert, bleib hier! Du hast doch keine Ahnung, wer da drin ist.«
»Richmodis!«
Beide schlitterten ihm hinterher, aber Goddert war zu flink. Sie sahen ihn die Tür aufreißen und im Rahmen verschwinden, dann ertönte sein Aufschrei.
»Um Himmels willen«, stöhnte Jaspar.
Mit wenigen Schritten waren sie beim Haus, polterten in die Stube und blieben wie angewurzelt stehen. »Richmodis«, sagte Jaspar mit hängender Kinnlade. Goddert hielt sie an sich gedrückt, als wolle er eins mit ihr werden,
damit kein Schicksal der Welt sie ihm je wieder entreißen könnte. Er weinte. Richmodis tätschelte ihm den runden Rücken. Ihr Haar hing zerzaust und triefend herab. Vorsichtig löste sie seine Arme und strich ihm übers Gesicht.
»Alles in Ordnung, Vater?«
Goddert lachte und heulte zugleich. »Wen schert es, was mit mir ist? Der heiligen Jungfrau sei Dank! Oh Gott, ich dachte schon, ich sehe dich niemals wieder!« Sein Kopf ruckte zu Jaspar und Jacop. »Ha! Ich hab's dir doch gesagt, Jaspar. Mein Kind!«
Jaspar grinste. Er trat hinzu und umfaßte beide mit ausladenden, nie endenwollenden Armen.
»Goddert«, verkündete er feierlich, »man kann über deine Allgemeinbildung sagen, was man will. Dein Bauch jedenfalls ist dem meinen weit überlegen.«
Sie lachten und hielten einander umklammert. Jacop stand in der Tür und sah zu, wie ihr Glück für einen kurzen Moment alles andere überstrahlte. Dann fühlte er Traurigkeit in sich aufsteigen und wandte sich ab.
»Genug jetzt«, sagte Richmodis. »Kommt mit nach hinten.«
Sie folgten ihr. Auf dem schweren Tisch in der Küche lag ein Mann. Sein Gesicht war
Weitere Kostenlose Bücher