Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
von erschreckender Blässe, seine Kleidung an mehreren Stellen von Blut getränkt. Bei ihrem Eintreten hob er mühsam den Kopf.
Sofort war Jaspar bei ihm.
»Was ist passiert?«
»Schwerthiebe. Einer ins Bein, der andere hat ihn an der Seite verletzt. Ich wollte ihn gerade verbinden.« »Wir müssen ihn waschen. Hol mir Wein, Essig und Wasser, außerdem Tücher, schnell.«
»Den Wein hole ich«, sagte Goddert.
»Ich will ihn damit waschen, Goddert, waschen! Hast du das auch verstanden?«
Goddert bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick und eilte davon. Richmodis holte Tücher. Jaspar untersuchte den Verletzten mit ausdrucksloser Miene, betastete seinen Körper, fühlte den Puls und strich den Schweiß von seiner Stirn.
»Wie fühlt Ihr Euch?« fragte er.
Der Mann ächzte und versuchte, sich aufzurichten. Jaspar drückte ihn sanft zurück.
»Nicht bewegen, wir müssen Euch erst was um die Rippen wickeln. Sagt mir Euren Namen.«
»Kuno Kone«, flüsterte der andere.
Jaspar hielt einen Moment lang inne.
»Der Kuno aus dem Geschlecht der Kones? Der Kaufmann?«
Kuno nickte.
»Donnerwetter, das wird ja immer schöner.«
Jacop sah auf den Mann herunter und kam sich nutzlos vor. Er wollte etwas sagen, aber im selben Augenblick drückte ihn Goddert zur Seite und plazierte einen randvollen Wasserbottich neben dem Tisch sowie zwei Krüge. Jaspar schnupperte daran.
»Der da riecht nach Essig«, befand er und griff nach dem anderen. »Das dürfte Wein sein. Ich muß ganz sicher gehen.« Er setzte den Krug an die Lippen und nahm einen gewaltigen Schluck.
»He«, protestierte Goddert. »Die Rede war vom Waschen.«
»Erstens«, erwiderte Jaspar und leckte sich die Lippen, »werde ich unseren armen Freund hier mit nichts waschen, was nicht meinen ausdrücklichen Segen gefunden hat, und zweitens könntest du ein Messer holen, anstatt dummes Zeug von dir zu geben. Ich muß seine Kleider aufschneiden.«
Grummelnd hastete Goddert wieder in die Küche, während Richmodis einen weiteren Arm voller Lappen heranbrachte. Niemand schenkte Jacop Beachtung.
»Kann ich was tun?« fragte er zaghaft.
Jaspar sah kurz auf.
»Spielt Flöte«, sagte er.
Jacop riß überrascht die Augen auf. »Ich soll was?«
»Spielt Flöte, rede ich in der Sprache Babylons? Solange, bis wir ihn verbunden haben.« Kuno keuchte und bäumte sich auf. »Und Ihr haltet den Schnabel«, wies Jaspar ihn an. »Später können wir
reden. Goddert, das Messer. Richmodis, das Tuch da mit Essig tränken. Jacop, was ist denn? Habt Ihr keine Flöte mehr, ich denke, die Dinger wachsen an Euch wie die Affen auf dem Baum? Los schon. Ich will Musik, wenn ich um diese Zeit arbeiten muß.«
Jacops Finger fuhren unter seinen Mantel. An alles hätte er jetzt gedacht, nur nicht an seine Flöte. Aber sie war noch da, hatte den Fischmarkt überstanden, die Höllenfahrt unter dem Karren. Er zog sie aus seinem Hosenbund und drehte sie hilflos hin und her.
In diesem Augenblick hob Richmodis den Kopf und sah ihn an. Sie lächelte. Es war dieses kleine, warme Lächeln.
Jacop begann mit der lustigsten Weise, die er kannte. Und während Jaspar wortlos Kunos Kleidung auftrennte, er und Richmodis ihn wuschen, behutsam die Wunden säuberten, Goddert gehorsam neues Wasser brachte und Lappen auswrang, schien die Melodie den Raum allmählich zu erwärmen. Mit jedem silbrighellen Ton strömten Ruhe und Kraft hinein, mit jedem Flagolet und Arpeggio wichen die Gespenster der Angst ein wenig von ihnen ab. Die Gesichter der anderen entspannten sich, und Jacop fühlte sich durchloht von der Lust am Spiel wie lange nicht mehr. Seine Flöte wurde zur Waffe gegen die Mutlosigkeit, sie erklang in dieser ausweglosen Situation, als gäbe es einen Grund zu feiern, verhöhnte die Gefahr mit spöttischen Trillern, bannte die Furcht durch den Zauber ihres Klangs, brandete auf zu immer neuen funkelnden Kaskaden der Schöpfung, sprach von sternglitzernden Firmamenten und Perlenregen, fremdartigen Städten mit Minaretten und schlanken Jaspistürmen, frohlockte und gebar Phantasien und Geschichten, wie es ihm der alte Bram beigebracht hatte, der vielleicht kein Kreuzritter gewesen war, aber dafür ein Magier der Freude. Jacop holte etwas von der Lebendigkeit zurück, die sie im Sturm gelassen zu haben glaubten, glättete die Wogen der Verwirrung und erquickte ihren geschundenen Geist, bis das Blut in seinen Adern glühend zirkulierte und Goddert plötzlich laut und fröhlich
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