Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
nicht mehr ganz so beunruhigt.
»Alles dicht.« Er setzte sich neben Jacop und gab ihm einen Schlag auf die Schulter. »Los, Füchschen, Ihr wolltet mir was erzählen. Des Rätsels Lösung aus Eurem Munde, das will ich mir nicht entgehen lassen.«
Jacop nickte, aber er war nicht bei der Sache. Ihm schien, als hätten sie etwas Wichtiges vergessen, etwas, das –
»Goddert?« flüsterte er.
»Mhm?«
»Leise jetzt, ganz leise. Ihr habt alles verschlossen?«
»Ja, doch! Wie oft soll ich es denn noch –«
»Gibt es hier eine Dachluke?«
Goddert sah ihn an. Sein Gesicht wurde plötzlich kalkweiß.
»Oh, mein Gott.«
»Gibt es eine?«
»Die – die habe ich ganz vergessen. Oh, mein Gott.«
Jacop hatte das Gefühl, als zittere der Boden unter seinen Füßen.
»Ruhig«, wisperte er. »Wir müssen uns was einfallen lassen. Urquhart ist schon im Haus.«
»Aber was –?« Unterhaltet Euch weiter, los. Über irgendwas.«
»Oh, Gott! Oh, Gott!« Jaspar räusperte sich umständlich. »Also, wenn du mich fragst, Goddert«, sagte er laut, während er Jacop unverwandt ansah, »kommt der Bastard nicht zurück. Er wird begriffen haben, daß wir uns zu schützen wissen.«
»Vielleicht hat er ja auch Angst und ist geflohen«, meinte Richmodis in kräftiger Tonlage.
Jacop hörte nicht zu, wie sie drauflosredeten. Er dachte fieberhaft nach. Urquhart mit Körperkräften beizukommen, war aussichtslos. Er war stärker als sie alle zusammen, und er würde bewaffnet sein. Vermutlich saß er jetzt gerade auf dem Speicher, die kleine Armbrust gespannt.
Über der Stiege zwischen der Wohnstube und der Küche gähnte das schwarze Viereck zum ersten Stockwerk. War er schon dort und belauschte sie? Würde er sofort angreifen oder sie zappeln lassen, bis sie völlig zermürbt waren? Aber das waren sie ja schon jetzt.
Einen Moment lang dachte Jacop daran, sich nach oben zu pirschen und ihn zu stellen. Träumer, schalt er sich, Urquhart wird dich töten, sobald dein dämlicher feuerroter Schopf in der Luke auftaucht.
Feuerroter Schopf. Plötzlich kam Jacop ein Gedanke.
Er zupfte Goddert am Ärmel. Der Kopf des Färbers fuhr zu ihm herum. Er sah aus, als sei er nahe daran, durchzudrehen. Jacop legte den Finger an die Lippen.
»Habt Ihr Lampenöl?« fragte leise.
»Waaas?«
»Lampenöl, verdammt. Oder anderes Öl, einen Krug voll!«
Goddert sah verwirrt von ihm zu Jaspar. Der Dechant und Richmodis bemühten sich nach Kräften um einen halbwegs sinnvollen Dialog. »J – ja, hinten unter der Küchenbank steht ein Krug.« »Holt ihn.« Goddert wurde noch weißer, sah hinauf zur Luke und begann zu zittern. Jacop verdrehte die Augen und tätschelte ihm die Wange.
»Schon gut.«
Es hing alles nur noch von ihrem Glück ab. Er hoffte inständig, Gott möge ihnen diesen Augenblick mehr geben, diesen einen Augenblick in der Christenheit, dieses Nichts an Zeit, das er brauchte, um den Krug zu holen. Er mußte unter der Luke hindurch. Wenn Urquhart ihm von oben einen Pfeil in den Balg schoß, war alles aus. Jaspar war ein Riese an Geist, aber körperlich hatte er einem wie Urquhart ebensowenig entgegenzusetzen wie Goddert. Und Richmodis mochte einen betrunkenen Patrizier übertölpeln, aber das war's dann auch.
Herr, dachte er, ich weiß, ich bete nicht oft genug zu dir. Hab Dank für alle Äpfel, die ich jemals stehlen durfte. Sei gnädig mit mir. Nur dieses eine Mal noch.
Sei gnädig mit Richmodis!
»Ich hole uns einen Schluck Wein«, sagte er laut und vernehmlich.
»Gute Idee!« rief Jaspar.
Er straffte sich und ging aufrecht nach hinten, wobei er sich zwang, nicht hinauf zur Luke zu sehen. Ihm war eiskalt vor Angst. Im Hinterhaus hatten sie keine Kerze brennen lassen. Es war ziemlich düster dort. Er stieß sich schmerzhaft an der Tischkante.
Die Küchenbank stand unter dem Fenster.
Jacop sah darunter und tastete nach dem Krug. Seine Finger griffen etwas Bauchiges, Kühles. Er zog das Gefäß hervor und roch daran. Tranig. Öl. »Hab den Wein!« rief er nach vorne. »War unter der Bank. Macht die Becher leer, ich komme.«
»Schon passiert«, krähte Richmodis.
Ihre Stimme klang zu schrill.
Er hat es gemerkt, dachte Jacop voller Panik. Er weiß, daß wir wissen, daß er –
Mühsam unterdrückte er das Zittern seiner Hände und schlenderte bewußt langsam zurück. Über ihm klaffte die Luke wie das Tor zur Hölle. Als er zum zweitenmal darunter hindurchging, versagten ihm die Beine fast den Dienst, aber er schaffte es. Die
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