Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
geraten war. Jacop zuckte die Achseln.
»Er hat recht«, sagte er.
Der Braumeister stieß einen nicht wiederzugebenden Fluch aus. »Das kann alles nicht wahr sein. Ich stehe hier und – verdammich! Der Schuppen neben der Brauerei ist offen. Im Augenblick sind keine Fässer drin; werden euch also nicht die Hunde beißen. Aber, Jaspar!« Er hielt dem Physikus die geballte Faust unter die Nase. »Morgen früh seid ihr da raus, und mir ist es scheißegal, was ihr dann macht.«
Der Physikus breitete die Arme aus und drückte den Brauer unvermittelt an sich.
»Und wenn du mich zum Narren hältst«, drang Bodos Stimme dumpf aus den Falten von Jaspars Kutte, »bringe ich dich eigenhändig an den Galgen und deinen rothaarigen Kumpan dazu, ist das klar?«
»Ich danke dir, mein Freund.«
»Ob das klar ist?«
Jaspar warf Jacop einen raschen Blick zu. »Wie sagtet Ihr eben so schön, Füchschen? Klar wie Rheinwasser. Bodo, wenn dich jemand fragt, sind wir dir entwischt, als du uns gerade festnehmen wolltest. Paß auf Goddert und Richmodis auf, hörst du, und sag Richmodis, wir seien in Sicherheit. Paß gut auf sie auf.«
»Natürlich«, seufzte Bodo. »Natürlich! Und ich trage den Dom für dich nach Deutz und besorge dem Papst eine Frau. Ich muß von Sinnen sein. Haut endlich ab.«
Sie gingen los, ohne sich noch einmal umzudrehen,
Nach einer Weile, als sie das Kloster zu den Weißen Frauen passiert hatten und die Einmündung zur Keygasse vor ihnen auftauchte, wandte Jaspar den Kopf und sagte:
»Da wir gerade mal zu Atem kommen – was haben die Patrizier denn nun Eurer Meinung nach vor, Füchschen?«
Jacop sah ihn an.
»Ganz einfach«, sagte er. »Sie wollen den Erzbischof ermorden.«
Filzengraben
Irgendwo schrie ein Hahn.
»Du bist zu früh«, murmelte Johann.
Er hatte sich hinauf geschlichen in Blithildis' Stube, hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie aufzuwecken und der Angst vor dem, was sie ihm sagen könnte. Sie schlief oder schien zu schlafen. Bei seinem Eintreten hatte sie kein Wort gesprochen und sich nicht bewegt, aber das mußte nichts heißen. Oft lauschte sie einfach nur und hörte Dinge in der Stille, die anderen verborgen blieben. Sie besaß die Gabe, in die Zeit hineinzuhorchen. Die Zukunft wurde zur Vergangenheit und die Vergangenheit zur Zukunft.
Nachdem seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er ihr Gesicht betrachten und fand, daß es dem einer Toten ähnlicher sah denn je. Die Feststellung flößte ihm keinen Schrecken ein, nur Trauer, daß Gott sie leiden ließ, ohne sie zu sich zu nehmen.
Er wollte sie nicht verlieren, aber trotzdem wünschte er ihr die Wiedergeburt in Christus. Sie würde ihren Frieden finden. Oder war es vielmehr sein Frieden, den er zu finden hoffte, wenn sie hinüberging?
Das Ziel. Die Sache.
Es war Blithildis' Idee gewesen. Seit Konrad die gefangenen Patrizier noch strenger in Gewahrsam genommen hatte, war ihnen allen klar geworden, daß sie von ihm zu seinen Lebzeiten keine Gnade erwarten durften. Und Konrad von Hochstaden war zäh. Er, dessen Siegel ihn unter Gottes segnender Hand zeigte, eine Darstellung beispiellosen Selbstbewußtseins, ließ keinen Zweifel daran, daß ihm die Patrizier aus tiefster Seele verhaßt waren. Es ging ihm nicht um Gerechtigkeit, soviel stand außer Frage. Er hatte ein Exempel statuiert, das war es, worauf sich seine Macht gründete. Er hatte klargestellt, was denen blühte, die seine Autorität anzweifelten.
Es war Blithildis gewesen, die sie an jenem Abend zurechtgewiesen hatte, als sie feiern wollten: Wie könnt Ihr feiern, während die unsrigen in der Verbannung um ihr Leben fürchten und in kalten, feuchten Verliesen allmählich verfaulen? Wie könnt Ihr Euch an teurem Wein berauschen, während dieser gottlose Erzbischof den Geschlechtern all ihre Freiheiten nimmt, sie um ihre Privilegien betrügt und ausplündert, sein Wort bricht und jedermanns Ehre in den Dreck zieht? Wie könnt Ihr Eure Sinne vernebeln, da Köln, die stolze Stadt, zu einem Pfuhl von Vasallen und Verrätern wird und die Angst regiert? Wie könnt Ihr Euch zu Euren Geschäften gratulieren, derweil sich niemand mehr traut, seine Meinung öffentlich kundzutun aus Angst, Konrad könne ihn ergreifen und in derselben Stunde hinrichten lassen?
Sie hatte alle beschämt – und dann ihren Gedanken zu Ende gesponnen. Würde Konrad sterben, konnte sich von heute auf morgen alles ändern. Die Verbannten und Gefangenen würden heimkehren. Sie
Weitere Kostenlose Bücher