Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Rodenkirchen? Und was weiß das hübsche Fräulein darüber und der alte Sack da mit den krummen Händen? Ab in den Turm, Verhör. Nein, Füchschen, solange die beiden nur Opfer irgendeines Überfalls sind, hat Theoderich keine Handhabe, sie mitzunehmen. Und was uns betrifft, beklagen wir uns nicht. Noch sitzen wir nicht im Turm.«
Jacop seufzte.
»Nein. Wir sitzen in einem eiskalten Schuppen und haben nicht den Schimmer einer Ahnung, wo Urquhart in wenigen Stunden sein wird.« »Dann finden wir es eben heraus.« »Gerne. Habt Ihr eine Idee, wie?« »Nein. Ihr?« Jacop ließ sich zurücksinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Ich denke, Urquhart wird vor der Kirche lauern.«
»Das ist eben nicht sicher. Die Messe liest Konrad in der Achskapelle des neuen Dombaus. Dort wird er auch predigen. Er hätte tausend gemütlichere Orte wählen können, aber da er nun mal in eben dieser Achskapelle begraben sein will – naja. Es wird jedenfalls das erste Mal sein, daß im neuen Dom eine Messe gelesen wird, also ein Riesenereignis. Aber zuvor gibt es eine Prozession von der Pfaffenpforte entlang Unter Guldenwagen, Spormacher, Wappensticker und so weiter bis zur St. Stephanus-Kapelle, dann links in die Platea gallica, vorbei an St. Maria im Kapitol über das Forum, nochmal links durch die Marspforte und zurück zum Dom. Das dauert etwa eine Stunde.«
»Ihr meint, Urquhart wartet irgendwo auf dieser Strecke?«
»Ich meine, es wäre möglich.«
»Wenn Konrad so vorsichtig ist, wie Ihr sagt«, grübelte Jacop, »wird Urquhart ihm nicht sehr nahe kommen können.«
Wieder herrschte Schweigen.
»Und was, wenn er das gar nicht muß?« sagte Jaspar gedehnt.
»Wieso?«
»Nun, ich würde mich an den Gedanken gewöhnen, daß er auch auf größere Entfernungen ein ausgezeichneter Schütze ist. Die Armbrust ist ein Werk höchster Präzision, von einer geradezu fatalen Zielgenauigkeit. Meint Hieronymus, und der muß es wissen. Will sagen, vielleicht ist die Distanz ja gerade Urquharts großer Vorteil. Etwas, womit niemand rechnet. Stellen wir uns vor, der Erzbischof stürzt während der Prozession plötzlich zu Boden. Ein Riesendurcheinander! Keiner wird so schnell begreifen, was geschehen ist, geschweige denn, woher der Bolzen kam, und schon gar nicht, daß der Schütze ein ordentliches Stück weit weg ist – oder besser, war, denn Urquhart wird schneller fort sein, als Konrad braucht, um mit dem Schädel aufzschlagen.«
Jacop versuchte, sich vorzustellen, wo die Entfernung ausreichend war. Die Straßen gesäumt von Menschen, gleich dahinter die Häuser, die Enge – wenn überhaupt, dann auf dem Forum. Aber da standen wiederum zu viele Leute zwischen dem Mörder und dem Erzbischof – und jemand mit einer Armbrust würde auffallen. Selbst wenn es ihm gelänge – »Ein Haus«, rief er überrascht. »Was für ein Haus?« fragte Jaspar verwirrt. Seine Gedanken hatten offenbar andere Wege angetreten.
»Urquhart kann Konrad nur treffen, wenn er sich an einem höheren Punkt befindet. Er muß über die Köpfe der Leute hinwegschießen. Er wird in einem Gebäude sein.«
»Wahrscheinlich habt Ihr recht«, pflichtete ihm Jaspar nachdenklich bei. »Dann sind wir allerdings die Dummen. Wir können schlecht alle Häuser durchsuchen.«
»Es gibt noch eine weitere Möglichkeit«, sagte Jacop zögernd. Er hätte sie am liebsten für sich behalten. Sie flößte ihm Angst ein.
»Welche?«
Angst, weil er dann nicht mehr weglaufen konnte. So, wie er es immer getan hatte. So, wie damals, als –
»Füchschen! He!«
Er ließ langsam die Luft entweichen und gab sich einen Ruck.
»Ich habe uns die Suppe eingebrockt. Also werde ich zum erzbischöflichen Palast gehen und Konrad warnen.«
Jaspar verschlug es einen Augenblick lang die Sprache.
»Seid Ihr von Sinnen?«
»Nein.«
»Nun mal langsam. Natürlich könnt Ihr versuchen, Konrad zu warnen. Ich bezweifle nur, daß man Euch überhaupt anhören wird.« »Den Versuch ist es wert.«
»Herrgott, Füchschen. Wer sagt Euch, daß die Overstolzen zwischenzeitlich nicht überall breitgetreten haben, daß Ihr ein Dieb seid? Ihr werdet ebenso gesucht wie ich. Wenn sie mir einen Mord anhängen können, um mich unschädlich zu machen, werden sie Euch erst recht denunzieren. Ihr habt ihm einen Gulden gestohlen, sagt Mathias. Woher wollt Ihr wissen, daß es mittlerweile nicht hundert oder tausend sind? Ihr begebt Euch freiwillig in die Hände der erzbischöflichen Obrigkeit in der
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