Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
zu gelangen, bedurfte es einer Visite des erzbischöfliaufstrebenden neuen Domchor, genauer gesagt ein Stück hinter beiden. Natürlich war die Anlage von einer Mauer umgeben und verschlossen. Bezüglich der Tiere erzählte man sich in Köln die aberwitzigsten Geschichten, etwa, daß Konrad sich Löwen halte und sogar ein sagenumwobenes
Tier namens Elephantus mit einer teuflisch langen Nase und baumstammartigen Füßen. Tatsächlich lungerten zwischen den schwertragenden Obstbäumen aber vornehmlich Pfauen und Fasane herum, die nicht nur schön anzusehen waren, sondern bei Bedarf auch ihren Weg in den erzbischöflichen Magen fanden, und das war, abgesehen von einigen Dutzend Eichhörnchen, das ganze Wunder.
Der einzige Weg in Konrads privates Paradies führte also über die Mauer. Die einzige Stelle wiederum, an der man es wagen konnte, einzudringen, war die Große Sparergasse. Der Name war denkbar unpassend. Die Gasse war winzig, fast ein Wurmloch zwischen dem Baugelände des Doms und dem Garten. Ihr einziger Daseinszweck schien dann zu bestehen, vom Domhof zu St. Maria ad Gradus und dem Margaretenkloster zu führen, die beide hinter dem Kapellenkranz des Doms gelegen waren. Die Gasse war beiderseits ummauert, zu hoch, als daß man sie ohne Leiter hätte überwinden können.
Aber das nutzte nichts. Nicht gegen Jacops den Fuchs.
Denn hier ragten aus dem erzbischöflichen Garten ein paar uralte, stattliche Apfelbäume weit über die Gasse und das angrenzende Baugelände hinaus. Die höheren Äste wiesen geradewegs auf den Dom, darunter bogen sich knorrige Arme tief genug in die Sparergasse, um sie mit beiden Händen mühelos zu erreichen und sich daran hochzuziehen.
Er mußte genaugenommen also nicht mal in den Garten. Andererseits hatte es die Natur in ihrer Boshaftigkeit so eingerichtet, daß nur der in den Genuß der Früchte kam, der ausgezeichnet klettern konnte. Einige versuchten es immer wieder, aber die meisten hingen dann wie die Fledermäuse an den Ästen und schafften es nicht, Halt zu finden, bevor die Gewaltrichter oder erzbischöflichen Schergen sie wieder herunterpflückten. So hielt sich der Apfeldiebstahl in Grenzen, und erst vor kurzem hatte Konrad weitere Vergehen unter drastische Strafen gestellt. Seitdem war überhaupt nichts mehr passiert.
Jacop gedachte das zu ändern.
Er stand unter den Ästen und wartete. Inzwischen war es nach sieben. Eben ging die Sonne unter. Obgleich die schwarze Regenfront unerbittlich näherrückte, hatte der Abend noch reichlich Licht am Himmel verteilt. Böiger Wind kam auf. An der Dombaustelle legten die Handwerker ihre Arbeit nieder und begaben sich nach Hause. Es war sinnlos, ihn weiterzubauen, wenn es zu dunkeln begann, man machte nur Fehler und mußte am nächsten Tag von vorne beginnen.
Plötzlich, von einem Moment auf den anderen, war die Gasse wie leergefegt.
Jacop spannte die Muskeln, ging leicht in die Knie und stieß sich kraftvoll ab. Seine Hände umfaßten den unteren Ast. Ohne in der Bewegung innezuhalten, bog er seinen Körper nach oben, immer weiter und höher, ging in die Grätsche und saß im nächsten Augenblick mitten im Blätterwald.
Niemand hatte ihn gesehen. Er griff nach dem Ast über sich, hangelte sich in die zweite Etage und war nun völlig unsichtbar.
Aber dafür sah Jacop um so mehr, und der Anblick ließ sein Herz höher schlagen.
Rings um ihn prahlte die Natur mit verschwenderischer Fülle. Nichts auf der Welt hätte es mit diesen Äpfeln aufnehmen können. Gierig griff er zu, seine Zähne durchschlugen die feste grüne Haut und rissen die Frucht in zwei Hälften. Saft lief ihm übers Kinn. Der Apfel verschwand wie in einem Mahlwerk, ein zweiter folgte wenige Sekunden später, von dem dritten blieb immerhin der Stiel.
Jacop rülpste laut und sah erschrocken durch das Laub nach unten.
Keine Gefahr.
Er würde schreckliche Bauchschmerzen zu leiden haben, das wußte er. Sein Körper hatte nichts als Säure zu verarbeiten. Aber Bauchschmerzen gingen vorüber. Jetzt, nachdem sein erster Hunger gestillt war, konnte er sich daran machen, weitere Beute in seinem neuen und dankenswerterweise weiten Mantel zu verstauen. Er dachte an Tilman und an Maria, die Frau, unter deren Dach er manchmal Quartier fand, wenn ihr Geschäft es zuließ oder sich der Winter allzu ungnädig gebärdete. Seinen eigenen Bedarf hinzugerechnet, kam er nach mühseligem Abzählen an den Fingern auf drei mal zehn Äpfel.
Besser, keine Zeit zu verlieren!
Der
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