Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
die Augen auf. Er befand sich in einem riesigen, prachtvollen Raum mit geschnitzten Balken und Säulen. Das ganze hintere Ende nahm ein gewaltiges Gestühl aus schwarzpoliertem Holz ein. Über den Boden erstreckte sich ein Labyrinth kunstvoll verschachtelter Intarsien, während die gegenüberliegende Seite von einem langgezogenen Erker unterbrochen war, eingefaßt von Lilienfenstern und im mittleren Teil offen.
Die Arkaden. Er war im erzbischöflichen Saal.
»Da ist er!«
Die Soldaten tauchten in den Durchgängen auf und fuchtelten bedrohlich mit ihren Schwertern, gefolgt von Lorenzo, dessen Gesicht rot angelaufen war. Jacop suchte verzweifelt nach einem anderen Ausgang, aber es gab keinen, nur noch die Arkadenfenster, und die lagen zu hoch über der Straße für einen Sprung. Er wich zurück und sah, wie ein triumphierender Ausdruck in Lorenzos Augen trat.
»Der Mann, der Mathias Overstolz einen Gulden gestohlen hat«, zischte er. »Wie schön, dich bei uns zu Gast zu haben. Besser, du ergibst dich in dein Schicksal, wenn du nicht willst, daß wir deinen stinkenden Kadaver über den Saal verteilen. Was meinst du?«
Die Wachen kamen näher. Jacop stolperte und sah nach hinten. Und wenn er doch sprang? Aber es war zu hoch, er würde sich nur die Beine brechen.
Etwas ragte vor den Arkaden in die Höhe, verästelte sich.
Ein Baum.
Er ließ die Schultern sinken und nickte ergeben.
»Ihr habt gewonnen, Lorenzo. Ich werde mit Euch kommen.«
Die Soldaten entspannten sich. Ihre Schwerter sanken herunter. Lorenzo grinste. »Ein kluger Entschluß, mein Sohn.«
»Ja«, sagte Jacop. »Ich will's hoffen.« Er schnellte herum und war mit einem Satz am Fenster. Lorenzo kreischte auf. Jacop sprang auf das Sims. Unter ihm zog sich die Straße dahin. Der Baum war viel weiter weg, als er gedacht hatte.
Zu weit. Er würde es nicht schaffen.
»Los doch«, schrie Lorenzo. »Greift ihn Euch, Ihr laßt ihn ja entkommen!« Wird das denn nie ein Ende nehmen, stöhnte Jacop innerlich. Er ging leicht in die Knie und federte ab. Sein Körper segelte aus den Arkaden hinaus über die Straße. Einen wunderbaren Moment lang fühlte er sich leicht wie eine Feder, beschwingt wie ein Vogel, schwerelos wie ein Engel.
Dann krachte und prasselte er ins Geäst.
Zweige schnitten ihm in Gesicht und Glieder. Er versuchte, einen Halt zu finden, um seinen Sturz zu bremsen, aber es ging unerbittlich abwärts, und der Baum verabreichte ihm die Prügel seines Lebens. Schmerzhaft schlug ihm etwas ins Kreuz. Jacop sah das Unterste zuoberst und das Oberste zuunterst, grapschte wie eine Katze nach dem nächsten Ast und hing einen Moment strampelnd über dem Erdboden. Dann ließ er sich fallen, kam aufrecht auf beiden Beinen zu stehen und rannte in die nächstbeste Gasse hinein.
Als die Wachen in ihren schweren Rüstungen endlich das Tor entriegelt hatten und auf die Straße hinauseilten, war er schon weit genug, daß sie ihn nicht mehr einholen konnten.
Filzengraben
»Du hast was getan?« fuhr Johann auf.
Theoderich sah betreten drein.
»Urquhart hatte mir erzählt, daß er diesen Diener vorsorglich so zugerichtet hat, daß es auch der Dechant hätte gewesen sein können«, sagte Mathias beschwichtigend. »Da kam mir eben die Idee, den Druck auf Jaspar Rodenkirchen noch ein bißchen zu verstärken.«
Johann schüttelte ungläubig den Kopf.
»Den Druck verstärken! Nichts können wir weniger gebrauchen als eine Hetzjagd der Gewaltrichter auf diesen Jaspar, und du gehst den Druck verstärken! Warum hast du nicht wenigstens gewartet, bis du ihn hast?«
»Das wollte ich ja«, verteidigte sich Theoderich.
»Du wolltest? Du wußtest doch gar nicht, wo er war.«
»Ich dachte es mir.«
»Du dachtest es dir. Aber gewußt hast du es nicht?«
»Wir konnten davon ausgehen, daß er sich bei seinen Verwandten versteckt hält, was sich ja dann auch bestätigte«, erklärte ihm Mathias.
»Ach, das ist natürlich etwas anderes«, sagte Johann mit nicht zu überhörendem Sarkasmus. »Ihr konntet davon ausgehen. Wahrscheinlich habt Ihr Euch die Zukunft aus den Händen lesen lassen von irgendwelchen zauberkundigen Weibern. Narren!«
»Wir hatten ja auch recht«, rief Theoderich wütend. »Konnte ich wissen, daß er sich aus dem Staub macht, bevor wir kamen? Jemand muß ihn gewarnt haben.«
»Und wer?«
»Das liegt doch auf der Hand. Bodo Schuif natürlich.«
»Und was willst du jetzt gegen Bodo Schuif unternehmen?«
Theoderich zögerte.
»Gar nichts
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