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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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konnte er Purpur, Blau und Gold ausmachen. Eine Gruppe Berittener kam hinter der Dompropstei zum Vorschein, eindrucksvoll in ihren schimmernden Rüstungen, die im ersten Licht der Morgendämmerung an flüssiges Zinn erinnerten. Zwischen ihnen tat sich für die Dauer eines Augenblicks eine Lücke auf, und Jacop sah einen weiteren Reiter – schlank, steif aufrechtsitzend, scharfes, bartloses Profil, graues, gelocktes Haar. Dann war er verschwunden, und ein Baldachin wurde in die Höhe gereckt. Schwach drangen Klänge geistlicher Musik herüber. Den großen Prozessionen fuhr immer ein Wagen mit einer Orgel voraus.
    Jacop hatte viele dieser Prozessionen gesehen, und immer hatte die Musik ihn an die wunderbaren Schiffe erinnert, die zu Ehren der schönen Isabella über Land gefahren waren. Einen Moment beschlich ihn Wehmut.
    Eine andere Zeit. Ein anderer Mensch.
    Mit einem Mal stellte Jacop fest, daß er hundemüde war.
    Es war die Müdigkeit der Ratlosen. Was sollten sie hier? Lächerlich, an den Häusern hinaufzuschauen, als lehne Urquhart am Fenster, um ihnen freundlich zuzuwinken – hier bin ich, hier oben. Fein, daß Ihr da seid, kommt hoch und hindert mich am Morden.
    Zu viele Straßen. Zu viele Gebäude. Wenn Urquhart das Feuer einigermaßen heil überstanden hatte, würde der Erzbischof sterben. Nichts konnte den Mörder daran hindern, seinen Auftrag auszuführen, weil sie ihn nicht finden würden.
    Er wandte den Kopf hinüber zum Dom.
    Hier hatte alles angefangen. Mit ein paar Äpfeln.
    Verfluchte Äpfel! Seit Anbeginn der Menschheit waren sie nichts als eine Quelle ständigen Ärgers.
    Er betrachtete das dichte Röhrenwerk des Gerüsts und sah wieder Gerhard darüber hinwegschreiten, oben auf der höchsten Plattform, und dann Urquharts schwarzen Schatten –
    Der Schatten.
    Verwirrt kniff Jacop die Augen zusammen und sah noch einmal hin. Kurz war es ihm vorgekommen, als hätte sich der Vorgang tatsächlich wiederholt. Aber das war ja kompletter Unsinn. Nichts an dem Bauwerk war anders als sonst.
    Er schaute weg und widmete sich wieder der Prozession.
    In diesem Moment murmelte Jaspar etwas Unverständliches und ging schnell davon. Jacop starrte ihm mit offenem Munde nach, stieß einen leisen Fluch aus und eilte hinterher.
    »Jaspar«, zischte er.
    Der Physikus hörte ihn nicht. Offenbar hatte er eine Entdeckung gemacht, die ihn seine eigenen Ratschläge vergessen ließ. Schnurstracks hielt er auf die Prozession zu.
    »Jas –«
    Die Glocken begannen zu läuten.
    Augenblicklich setzte sich der Zug in Bewegung. Jacop lief ein paar Schritte weiter und hielt dann inne. Jaspar verschwand zwischen den umstehenden Menschen. Wahrscheinlich ging er davon aus, daß Jacop ihm folgte.
    Aber etwas bannte Jacop auf die Stelle und zwang ihn, sich wieder zu der Kirche umzudrehen.
    Sie war wie immer.
    Nichts daran war außergewöhnlich. Gar nichts. Der helle Stein des Chors. Die Gerüste. Niemand darauf. Natürlich nicht, es war zu früh, und es war Sonntag. Heute würde überhaupt keiner da raufsteigen.
    Aus den Reihen der Prozession erscholl frommer Gesang, aber Jacop hörte nicht hin. Ein Gefühl der Beklemmung hatte ihn erfaßt.
    Was war mit der Kirche?
    Gerhard auf dem Hochgerüst. Dann plötzlich der Schatten. Der Schat
    ten war aus dem Nichts gekommen. Aber der Schatten war nicht der Teufel gewesen, sondern Urquhart, und der war ein Mensch.
    Aus dem Nichts –
    Kein Mensch kam aus dem Nichts.
    Jacop sah unschlüssig zu dem Zug herüber und versuchte, Jaspar auszumachen, aber der Physikus war nicht mehr zu sehen. Aus den umliegenden Häusern kamen immer mehr Menschen, Herren und stolze Bürgerfrauen, viele vornehm gekleidet, während andere in kleinen Gruppen oder einzeln herbeiritten, um der Prozession zu folgen. Dazwischen einfache Handwerker, Knechte und Mägde, Pilger und Bauern, die am Tag zuvor nach Köln gekommen waren, um dem Ereignis beizuwohnen, Kranke, Tagediebe, Bettler, alle.
    Langsam ging Jacop zurück und am Palast vorbei. Von den Soldaten war keiner mehr zu sehen. Er lief weiter, bis er fast am Rhein war, und hielt sich rechts. Nach wenigen Schritten stand er am Frankenturm, wo die Verdächtigen der peinlichen Befragung unterzogen und die Delinquenten an den erzbischöflichen Greven überwiesen wurden.
    Er befand sich jetzt ostwärts vom Dom. Zwischen ihm und dem Chorbau lagen nur ein weiträumiger Platz und die kleinere Kirche St. Maria ad Gradus. Wieder legte er den Kopf in den Nacken und studierte die

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