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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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kletterte weiter. Die Dachkante rückte näher.
    Plötzlich schrak er zusammen und wäre um ein Haar abgestürzt. Aber es war nur ein bizzarer Wasserspeier mit aufgerissenem Maul, der neben ihm aus dem Stein ragte. Kein Grund zur Beunruhigung. Noch nicht.
    Dann hatte er die Dachkante passiert und sah staunend hinaus auf das große Rund der segmentartig angeordneten Dächer über den Kapellen, flach gehaltene Giebeldächer, so gut wie ungeeignet, sich darauf zu bewegen. Kurz fühlte sich Jacop an eine geschwungene Hügelkette erinnert, in deren Mitte eine tiefe, düstere Schlucht klaffte. Darüber erstreckten sich die Hochwege und Emporen des Gerüsts, eine Landschaft über einer Landschaft. In unwirklicher Entfernung versuchten sich die Türme des Alten Doms gegen das Monument zu behaupten, aber aus dieser Perspektive waren sie nichts als frommes Spielzeug.
    Rasch nahm Jacop die letzten Sprossen und stand im nächsten Moment auf der Gerüstempore. Von hier aus konnte man sich über schmale Stege und Plattformen kreuz und quer über den Chorbau bewegen. Niemand war zu sehen. Ein gutes Stück entfernt, am nördlichen Ende, konnte er zwei Treträder ausmachen, hoch und breit genug, daß zwei Männer nebeneinander darin Platz fanden. In einem davon würde er sich verstecken und warten, bis Urquhart kam. Hinter den Rädern lugte ein grob gezimmerter, flacher Kasten hervor. Jacop hoffte, er diene der Aufbewahrung von Werkzeug. Ohne Waffe konnte er gleich wieder heruntersteigen.
    Vorsichtig bewegte er sich über die luftigen Stege hinweg. Als er die Räder fast erreicht hatte, trat er an den Innenrand des Chors und sah hinab.
    Es war atemberaubend.
    Die Innenpfeiler, auf denen die Konstruktion ruhte und die die Kapellen voneinander trennten, schienen jeder eine Bündelung vieler kleiner Säulen unterschiedlichen Durchmessers zu sein, gekrönt von Kapitellen aus versteinertem Laub, bevor sich die Arkaden und Kreuzgewölbe darüber hinwegschwangen. Es war eine Schlucht, in die Jacop blickte, ebenso furchterregend wie wunderbar, ein Abgrund, in dem es nichts Plumpes und Breites gab, sondern nur senkrechte Linien ohne Ende.
    Plötzlich wurde Jacop bewußt, wen Urquhart da vom Gerüst gestoßen hatte.
    Sein Blick wanderte zur Achskapelle. Deutlich konnte er die Kanzel sehen, von der Konrad predigen würde. Der Erzbischof hätte sich gar keinen besseren Platz aussuchen können aus der Sicht des Mörders.
    Jacop trat einen Schritt zurück und ließ seine Augen über die Dächer der Stadt hinaus bis zur Hügelkette des Bergischen Landes schweifen. Bald würde die Sonne aufgehen. Verwaschen drang Lärm an seine Ohren. Er konnte die Prozession nicht sehen, die Gassen waren dafür zu eng, aber er hörte den Gesang und das Rauschen der Menschenmenge. Der Wind zerzauste ihm das Haar. Es war schön hier oben. Ob auch Gerhard geflohen war, die Flucht des Baumeisters in die Höhe? Die einen laufen weg, dachte Jacop, und die anderen versuchen, sich emporzuschwingen.
    Er beugte sich wieder nach vorne, so weit es ging. Vielleicht sah er da unten noch mehr Wunderbares.
    Geh, raunte etwas in ihm. Versteck dich endlich!
    Gleich. Es ist so schön hier.
    Mach schnell!
    Gleich.
    Schnell!
    Ja, gleich! Ich will nur –
    »Was für ein Jammer, daß ich dich nicht da runterschicken kann!«
    Jacop spürte, wie Tausende kleiner Vögel in seinem Bauch aufstiegen und panisch durcheinanderflatterten. Bevor er sich umdrehen konnte, wurde er nach hinten gerissen und fiel hart auf die Bretter.
    Urquhart grinste auf ihn herab. Er sah schrecklich aus. Seine linke Gesichtshälfte war übel zugerichtet, die Augenbrauen abgesengt. Von der blonden Mähne war nicht viel geblieben.
    »Erstaunlich, unter welchen Umständen sich alte Freunde manchmal wiedertreffen, was?«
    Jacop rutschte hastig nach hinten und versuchte aufzustehen. Urquharts Arm fuhr auf ihn nieder. Die Finger schlossen sich um seine Kutte und zerrten ihn wie einen Sack in die Höhe.
    »Hast gedacht, du bist mich losgeworden.« Urquhart lachte. Seine Faust flog heran. Ein riesiger Blitz zuckte quer durch Jacops Kopf. Er prallte schmerzhaft gegen die Kante des vorderen Tretrads, ging in die Knie und wurde wieder hochgerissen.
    »Falsch gedacht.«
    Der nächste Schlag ging in die Magengegend. Schmerz raste durch seinen ganzen Körper. Gekrümmt fiel er vor das Rad. »Niemand wird mich los.« Jacop würgte krampfhaft. Er stemmte sich hoch und brach wieder zu
    sammen. Sein Mund war erfüllt vom

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