Todesahnung: Thriller (German Edition)
ihn, Ms. Burns.«
Ich frage Herbert nicht, sondern verziehe mich. Ich nehme nicht einmal den Fahrstuhl, sondern die Treppe. Hauptsache, weg von hier.
20
Selbst für Manhattaner Verhältnisse habe ich einen ordentlichen Zahn drauf. Die Menschenmenge teilt sich vor mir, weicht mir nach rechts und links aus. Ich bin ein Bürgersteig-Moses.
Nächste Haltestelle: Falcon Hotel. Vielleicht der letzte Ort im Universum, den ich aufsuchen möchte. Aber ich muss dorthin.
Klar, mit einem Taxi ginge es schneller. Aber ich ziehe es vor, zu Fuß zu gehen, weil ich in einem geschlossenen Fahrzeug durchdrehen würde.
Kein Wunder, dass ich wieder an meinen Expsychofuzzi, Dr. Corey, denke. Während er großspurig an seiner Pfeife saugt, würde er diese kleinen Selbsthilfemantras von sich geben, Sachen wie: »Halten Sie durch!«, und: »Blicken Sie Ihrer Angst ins Auge!«, und: »Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr eigenes Leben!«.
Damals hielt ich sie für dumme Klischees - so wie seine Pfeife, die ewig in seinem Mund klemmte.
Trotzdem bedrängen sie mich jetzt aus meiner Vergangenheit. Und sie scheinen sogar ansatzweise zu funktionieren.
Ich lege noch einen Zahn zu. Nur noch ein paar Straßenblocks trennen mich vom Hotel.
Ich spüre bereits wieder den Sog. Warum werde ich von diesem Hotel angezogen? Nun, zufällig kenne ich die Antwort, aber sie ist ein Geheimnis, das ich mit ins Grab nehmen werde. Das Geheimnis des Falcon.
Ich greife an meine Tasche, um die Umrisse meiner Kamera zu ertasten. Ich weiß, sie ist dort. Wie immer habe ich nachgesehen, bevor ich meine Wohnung verlassen habe, aber ich überlasse nichts dem Zufall.
Als ich an der 68th Street die Park Avenue überquere, beginne ich zu rennen. Auf der Querstraße weiter oben an der Madison Avenue liegt das Falcon.
Mein Herz pocht, ich spüre, wie die Venen an meinem Hals pulsieren.
Du kannst das, Kris. Nur du wirst die Sache hier lösen.
Ich bin nur wenige Schritte von der Ecke entfernt. Höre ich bereits die Menschenmenge? Es gibt nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden.
Doch meine Füße haben anderes im Sinn.
Ich bleibe an der Ecke stehen, kämpfe gegen den Sog an und gebe meiner Angst nach. Ich habe Angst hinzuschauen.
Jetzt reiß dich zusammen, du dummes Huhn!
Das gehört nicht unbedingt zu Dr. Coreys Mantras, funktioniert aber genauso. Tief durchatmend und die Hände zu Fäusten ballend, biege ich um die Ecke und sehe …
… nichts. Absolut nichts von Belang.
Was ich sehe, ist eine typische New Yorker Straßenszene vor dem Falcon - Menschen, die kommen und gehen, Autos und Taxis, die mit tuckerndem Motor vor der leuchtend roten Markise des Hotels warten. Alles sieht aus, als wäre nichts passiert.
Puh, was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Offenbar habe ich den Kerl im Radio falsch verstanden. Schließlich stand ich unter der Dusche. Mit viel Wasser in den Ohren.
Das muss es gewesen sein.
Ich greife nach meiner Kamera. Die Fotos würden nicht meine hintergründigsten werden, mich jedoch rundum befriedigen. Siehst du, Kris, du bist doch nicht so verrückt, wie du gedacht hast.
Und wenn ich mit Knipsen fertig bin, gehe ich ins Hotel und frage an der Rezeption, was gestern passiert ist. Ich kriege die Geschichte, den Knüller, die Wahrheit. Dann bringe ich diese abstruse Sache hinter mich.
Ich hebe die Kamera ans Auge und stelle die Schärfe ein. Als ich das Objektiv im Uhrzeigersinn drehe, berührt mich jemand an der Schulter.
Ich erstarre.
Wie ein Foto.
Klick!
Dann … wumm!
Die Kamera rutscht mir aus den Händen und auf den Boden.
21
Himmel, Arsch und Zwirn! Ich bücke mich, um die Leica aufzuheben. Sie selbst scheint unversehrt zu sein, aber das Objektiv ist es nicht mehr.
Dann wirble ich herum - und es sind seine Augen, die ich zuerst sehe, der gleiche intensive Blick wie gestern. Es ist der Detective, der dünne, ältere Mann, der nach Rasierwasser und Tabak riecht und einen anblickt, als wollte er sagen: Ich weiß, dass du was angestellt hast.
Er trägt, wie es aussieht, noch denselben dunkelgrauen Anzug. Und schweigt. Nicht einmal ein »Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe« kommt über seine Lippen. Stattdessen scheint er ein Lächeln zu unterdrücken. Hey, was ist denn daran so lustig?
Plötzlich ist es mir egal, wie verrückt ich auf ihn wirken könnte.
»Schleichen Sie sich immer an Leute heran und erschrecken sie zu Tode?«, frage ich wütend. »Sie haben ja
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