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Todesbote

Titel: Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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wurde nicht abgeschaltet.«
    Der 2200 Quadratkilometer große Joshua Tree National Park besteht nur aus Palmen, Gestrüpp und Felsen. Die Aussicht von oben soll, wie man sagt, spektakulär sein, doch normale Menschen schlagen hier in der sengenden Hitze des Hochsommers nicht ihre Zelte auf. Ich verstehe sowieso nicht, warum überhaupt jemand hierherkommt.
    Â»Falls Sie denken, Sie könnten abhauen, sparen Sie sich die Mühe«, riet Henri mir. »Das hier ist Alcatraz im Wüstenstil. Der Wohnwagen steht auf einem Meer aus Sand. Die Tagestemperaturen steigen auf fast fünfzig Grad. Selbst wenn Sie in der Nacht abhauen, sind Sie durchgekocht, noch bevor Sie eine Straße erreicht haben. Also rühren Sie sich bitte nicht vom Fleck. Das meine ich ernst.«
    Â»Fünf Tage also?«
    Â»Sie werden zum Wochenende wieder in L. A. sein. Pfadfinderehrenwort.«
    Â»Okay. Und was ist dann hiermit?«
    Ich streckte die Hände aus. Henri nahm mir die Handschellen ab.

81
    Ich rieb meine Hände aneinander, erhob mich und trank die Flasche in einem Zug leer. Diese kleinen Freuden schenkten mir unerwarteten Optimismus. Ich dachte an Leonard Zagamis Enthusiasmus.
    Ich stellte mir vor, wie meine verstaubten, alten Autorenträume wahr wurden.
    Â»Okay, fangen wir an«, sagte ich.
    Henri und ich stellten die Markise seitlich des Wohnwagens auf und platzierten zwei Klappstühle und einen kleinen Tisch in den schmalen Schatten. Während kühle Luft durch die geöffnete Wohnwagentür drang, machten wir uns an die Arbeit.
    Ich zeigte Henri den Vertrag und erklärte, Raven-Wofford würde nur den Autor bezahlen. Ich würde Henri bezahlen.
    Â»Die Bezahlung erfolgt in Raten«, fuhr ich fort. »Das erste Drittel ist bei Unterzeichnung fällig, das zweite bei Abnahme des Manuskripts und das letzte im Moment der Veröffentlichung.«
    Henri grinste breit. »Keine schlechte Lebensversicherung für Sie.«
    Â»Standardbedingungen«, erwiderte ich. »Um den Verlag zu schützen, wenn ein Autor mitten im Projekt schlappmacht.«
    Wir besprachen unsere Anteile, eine lachhaft einseitige Verhandlung.
    Â»Es ist mein Buch, richtig?«, erinnerte mich Henri. »Und
Ihr Name wird darauf stehen. Das ist mehr wert als Geld, Ben.«
    Â»Warum arbeite ich dann nicht gleich kostenlos?«, fragte ich.
    Wieder grinste Henri. »Haben Sie einen Kugelschreiber?«
    Er setzte seinen tagesaktuellen Namen auf die gepunktete Linie und nannte mir die Nummer seines Bankkontos in der Schweiz.
    Ich legte den Vertrag zur Seite, Henri zog ein Verlängerungskabel aus dem Wohnwagen. Dort schloss ich meinen Rechner an, schaltete meinen Rekorder ein und testete ihn.
    Â»Kann’s losgehen?«, fragte ich.
    Â»Ich werde Ihnen alles erzählen, was Sie wissen müssen, um dieses Buch zu schreiben«, klärte mich Henri vorab auf. »Aber ich werde keine Spur aus Brotkrumen hinterlassen, damit das klar ist.«
    Â»Es ist Ihre Geschichte, Henri. Wie Sie sie mir erzählen, liegt bei Ihnen.«
    Henri lehnte sich auf seinem Klappstuhl zurück, faltete die Hände über seinem flachen Bauch und begann ganz am Anfang.
    Â»Ich wuchs am Arsch der Welt auf, in einer kleinen Farmerstadt am Rande des Nichts. Meine Eltern hatten eine Hühnerfarm, ich war ihr einziges Kind. Sie führten eine beschissene Ehe. Mein Vater trank. Er schlug meine Mutter. Er schlug mich. Sie schlug mich, und ab und zu erwischte sie auch ihn.«
    Henri beschrieb das knarrende kleine Haus, in dem sein Zimmer unter dem Dach direkt über dem Elternschlafzimmer lag.

    Â»Zwischen zwei Bodendielen gab es einen Spalt«, erzählte er. »Ihr Bett konnte ich nicht direkt sehen, aber die Schatten, und ich konnte hören, was sie taten. Sex und Gewalt. Jede Nacht. Gleich unter meinem Bett.«
    Er beschrieb die drei langen Hühnerställe und wie er als Sechsjähriger von seinem Vater gezwungen worden war, Hühner auf die herkömmliche Weise zu töten – Enthauptung mit einer Axt auf einem Holzblock.
    Â»Als braver Junge, der ich war, erledigte ich meine Pflichten. Ich ging zur Schule. Ich ging zur Kirche. Ich tat, was mir aufgetragen wurde, und versuchte, mich vor den Schlägen zu ducken. Mein Vater scheuerte mir nicht nur regelmäßig eine, er erniedrigte mich.
    Meine Mutter. Ihr verzeihe ich. Aber jahrelang hatte ich einen wiederkehrenden Traum, in dem ich beide tötete. Im

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