Todesbraeute
wie lange ich noch durchhalte.« »Seien Sie stark, Bailey. Für Hope.«
Hope braucht mich. Das Mantra würde sie noch eine Weile länger aufrecht halten. »Können wir irgendwie fliehen?« »Wenn mir etwas einfällt, sage ich es Ihnen.« Dann verschwand sein Finger, und sie hörte das Rieseln, als er das Loch wieder zustopfte.
Sie tat dasselbe auf ihrer Seite und kroch zu der Stelle zurück, an der sie vorher gelegen hatte. Alex hat Hope. Hope ist in Sicherheit. Das war das Einzige, was wirklich zählte. Alles andere ... Vielleicht bin ich an allem anderen selbst schuld.
8. Kapitel
Dutton, Dienstag, 30. Januar, 11.15 Uhr
Wanda Pettijohn sah Daniel über ihre halben Brillengläser an. »Frank ist nicht da.« »Ist er unterwegs oder krank?«
Deputy Randy Mansfield kam aus Franks Büro. »Einfach nicht da, Danny.« Mansfields Stimme klang gelassen, aber die Botschaft war klar: Das geht dich nichts an, also frag gar nicht erst. Randy schob einen dünnen Ordner über die Empfangstheke. »Das soll ich dir von ihm geben.« Daniel blätterte durch die wenigen Seiten. »Alicia Tremaines Akte. Ich hätte doch erwartet, dass sie dicker ist. Wo sind die Tatortfotos, die Aufzeichnungen der Verhöre, die Fotos des Opfers?«
Randy hob die Schultern. »Mehr hat Frank mir nicht gegeben.«
Daniel sah ihn aus schmalen Augen an. »Es muss mehr da sein.«
Randys Lächeln verblasste. »Wenn nicht mehr dabei ist, dann existiert auch nicht mehr.«
»Niemand hat ein Polaroid oder eine Zeichnung vom Fundort gemacht? Wo hat man sie gefunden?« Randy zog den Ordner zu sich heran und strich mit dem Finger über die Seite. »Auf der Five Mile Road.« Er sah auf. »In einem Graben.«
Daniel musste sich auf die Zunge beißen. »Wo auf der Five Mile Road? Wo war die nächste Zufahrt? Wer war zuerst am Schauplatz? Wo ist die Kopie der Gerichtsmedizin?«
»Es ist dreizehn Jahre her«, sagte Randy. »Damals war man noch nicht so gründlich.« Schwachsinn, dachte Daniel.
Wanda kam um die Theke herum. »Ich habe es damals mitbekommen, Daniel. Ich kann dir sagen, was passiert ist.« Daniel spürte, wie sich eine Migräne anbahnte. »Okay, dann leg los. Was ist damals passiert, Wanda?« »Es war der erste Samstag im April. Die kleine Tremaine lag nicht in ihrem Bett, als die Mutter sie wecken wollte. Sie war die ganze Nacht nicht dort gewesen. Nun, sie war ein ziemlicher Feger, diese junge Tremaine. Ihre Mutter rief sofort alle Freundinnen an, aber niemand hatte sie gesehen.«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Die Porter-Jungen. Davy und John. Sie waren mit ihren Crossrädern draußen.«
Daniel notierte es sich auf seinem Block. »Davy und John waren die mittleren von sechs Kindern, wenn ich mich richtig erinnere.«
Wanda nickte anerkennend. »Du erinnerst dich richtig. Davy war elf, John dreizehn. Es gibt noch zwei ältere und zwei jüngere Brüder.«
Das heißt, Davy und John würden nun vierundzwanzig respektive sechsundzwanzig sein. »Sie haben sie also entdeckt. Und was haben sie gemacht?« »Nachdem sich John übergeben hat, ist er zur Monroe Farm geradelt. Di Monroe hat dann die Polizei angerufen.« »Welcher Polizist war zuerst dort?«
»Nolan Quinn. Er ist inzwischen gestorben«, antwortete Wanda ernst.
»Alicias Tod hat ihn vollkommen aus der Bahn geworfen«, fügte Randy leise hinzu, und Daniel musste sich in Erinnerung rufen, dass es auch für das Sheriffbüro nicht einfach irgendein Fall gewesen war. Es war das übelste Verbrechen gewesen, das je in Dutton oder der Umgebung begangen worden war. Bis zu diesem Wochenende. »Ich kam im folgenden Jahr aus der Schule und bewarb mich bei der Polizei. Nolan war damals nicht mehr voll .einsetzbar.« »Es gibt wohl niemanden, der sich von solch einer Entdeckung nicht erschüttern lassen würde«, murmelte Daniel und dachte an die Porter-Jungen. »Wer hat die Obduktion durchgeführt, Wanda?« »Doc Fabares.«
»Der ebenfalls nicht mehr lebt.« Randy zuckte die Achseln. »Die meisten Beteiligten sind inzwischen gestorben. Oder sitzen auf der Bank vor dem Friseur.« »Doc Fabares wird aber die Unterlagen behalten haben.« »Irgendwo sicher«, sagte Randy, als sei »irgendwo« gleichzusetzen mit »nicht mehr auffindbar«. »Was wurde an der Leiche gefunden?«, fragte Daniel. Wanda runzelte die Stirn. »Was meinst du damit? Sie war nackt. In eine Decke eingehüllt.«
»Keine Ringe oder sonstigen Schmuck?« Oder ein Schlüssel? Aber davon würde er den beiden nichts sagen.
Weitere Kostenlose Bücher