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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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an den Traum, erinnerte sich, wie wohl er sich im Traum gefühlt hatte, und glaubte zu wissen, was der Traum bedeutete. Er war im Begriff, den Geschmack an der Gewalt zu verlieren, den Durst nach Blut. Aber das war nicht gut, weil er jetzt, zum erstenmal im Leben, die Gelegenheit hatte, jenes gewalttätige Talent für eine gute Sache einzusetzen. Tatsächlich hing sogar sein Seelenheil davon ab.
    Er mußte den Jungen töten. Das war gut und richtig. Er durfte den bitteren Haß, der ihn sein ganzes Leben lang bewegt hatte, nicht ganz verlieren.
    Es war spät; das Zwielicht rückte näher. Jetzt brauchte Grace ihn, damit er der Hammer Gottes war.

43
    Am Mittwochmorgen hatte es aufgehört zu regnen, und der Himmel war nur noch halb von Wolken verdunkelt.
    Charlie stand als erster auf, duschte und machte bereits Kaffee, als Christine und Joey erwachten.
    Christine schien überrascht, daß sie noch am Leben wa ren. Sie hatte keinen Morgenrock, also wickelte sie sich in eine Decke und sah, als sie in die Küche kam, wie eine Indianersquaw aus. Eine wundschöne Indianersquaw. »Sie haben mich nicht zum Wachdienst geweckt«, sagte sie. »Wir sind auch nicht bei der Marineinfantrie«, sagte Charlie und lächelte, fest entschlossen, die Panik zu verdrängen, die sie gestern in ihren Bann gezogen hatte.
    Wenn man zu aufgeputscht war, handelte man nicht; man reagierte dann nur. Und diese Art von Verhalten würde sie vielleicht das Leben kosten.
    Er mußte denken; er mußte planen. Und wenn er die ganze Zeit nur nervös hinter sich blickte, war er dazu nicht imstande. Hier in Santa Barbara waren sie sicher, solange sie nur ein wenig vorsichtig waren.
    »Aber wir haben alle zur gleichen Zeit geschlafen«, sagte Christine.
    »Wir brauchten die Ruhe.«
    »Aber ich schlief so tief. Sie hätten hier einbrechen können, und ich hätte es erst gemerkt, wenn sie zu schießen angefangen hätten.«
    Charlie sah sich um, runzelte die Stirn: »Wo ist die Kamera? Filmen wir hier einen Werbespot für Schlafmittel?«
    Sie seufzte, lächelte. »Sie denken, daß wir in Sicherheit sind?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Wir haben die Nacht überstanden — oder nicht?«
    Joey kam in die Küche, barfuß, in Unterhosen, das Haar zerzaust, das Gesicht noch verschlafen. »Ich habe von der Hexe geträumt«, sagte er.
    »Träume können dir nichts anhaben«, sagte Charlie.
    Der Junge war an diesem Morgen ganz ernst. Seine hellblauen Augen wirkten leblos. »Ich habe geträumt, sie hat Sie in einen Käfer verzaubert, und dann hat sie Sie zertreten.«
    »Träume haben nichts zu bedeuten«, sagte Charlie. »Ich habe einmal geträumt, ich wäre der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber du siehst doch keine Männer vom Ge heimdienst um mich herum, oder?«
    »Sie hat... in dem Traum hat sie auch meine Mama getötet«, sagte Joey.
    Christine drückte ihn an sich. »Charlie hat recht, Honey. Träume haben nichts zu bedeuten.«
    »Nichts, wovon ich je geträumt habe, ist je passiert«, sagte Charlie.
    Der Junge ging ans Fenster und starrte auf den Parkplatz hinaus. Dann sagte er: »Sie ist irgendwo dort draußen.«
    Christine sah Charlie an. Er wußte, was sie dachte. Der Junge hatte bis jetzt erstaunliche Widerstandskraft an den Tag gelegt, sich von jedem Schock erholt, von jedem Schrecken, hatte immer wieder lächeln können. Aber vielleicht hatte er jetzt alle seiner Reserven erschöpft; vielleicht war seine Widerstandskraft aufgezehrt.
    Chewbacca trottete in die Küche, blieb neben dem Jungen stehen und knurrte leise.
    »Seht ihr?« sagte Joey. »Chewbacca weiß es. Chewbacca weiß, daß sie irgendwo dort draußen ist.«
    Das Feuer des Jungen war dahin. Es war beunruhigend, ihn mit solch grauem Gesicht und so mutlos zu sehen.
    Charlie und Christine mühten sich ab, ihn in bessere Stimmung zu versetzen, aber es war nichts zu machen.
    Später, um halb zehn, frühstückten sie in einem Cafe in der Nähe. Charlie und Christine waren ausgehungert, aber Joey mußten sie zum Essen drängen. Sie saßen in einer Nische an einem der großen Fenster, und Joey blickte immer wieder zum Himmel auf, wo ein paar blaue Streifen wie bunte Seile wirkten, die die düsteren Wolken zusammenhielten. Er sah so bedrückt aus, wie das ein Sechsjähriger überhaupt konnte.
    Charlie fragte sich, warum die Augen des Jungen immer wieder zum Himmel wanderten. Rechnete er damit, daß die Hexe auf ihrem Besen angeflogen kam?
    Ja, das war es vermutlich, worüber er sich Sorgen machte. Wenn man

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