Todesdämmerung
Madigan zurückkehrte, trug er einen Regenmantel mit Kapuze und Gummistiefel. Das bernsteinfarbene Licht der Außenlampen milderte die Falten in seinem Gesicht; wenn sie einen Film gedreht und dabei nach einem freundlichen Großvatertyp gesucht hätten, wäre Madigan die perfekte Besetzung gewesen. Er hielt Christine und Joey für Charlies Frau und Sohn und bedauerte sie, daß sie in so scheußlichem Wetter im Freien sein mußten.
»Oh, wir stammen aus Seattle«, log Christine. »Wir sind solches Entenwetter gewöhnt.«
Joey hatte sich noch tiefer in seine ganz persönliche Welt zurückgezogen. Er sprach nicht mit Madigan, lächelte auch nicht, als der alte Mann einen Scherz mit ihm machte. Aber wenn man nicht wußte, was für ein fröhlicher Junge er gewöhnlich war, dann wirkte das nur wie Scheu.
Madigan war sehr daran interessiert, den Jeep zu verkaufen, obwohl ihm wahrscheinlich nicht klar war, wie deutlich ihm das anzumerken war. Er versuchte den Eindruck von Gleichgültigkeit zu erwecken, wies aber immer wieder auf den niedrigen Tachostand, die fast neuen Reifen und andere Vorzüge seines Wagens hin.
Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, begriff Charlie die Situation, in der sich der Mann befand: Madigan war vor einem Jahr in den Ruhestand getreten und hatte schnell feststellen müssen, daß die Sozialversicherung und eine bescheidene Pension nicht ausreichten für den Lebensstil, an den er und seine Frau sich gewöhnt hatten. Sie besaßen zwei Autos, ein Boot, den Jeep und zwei Schneemobile. Jetzt mußten sie sich entscheiden, ob sie Wintersport treiben oder segeln wollten; also hatten sie beschlossen, den Jeep und die Schneemobile zu verkaufen. Madigan war verbit tert. Er beklagte sich ausführlich über all die Steuern, die ihm die Regierung aus der Tasche gezogen hatte, als er noch jung war. »Wenn die bloß zehn Prozent weniger genommen hätten«, sagte er, »hätte ich eine Pension gehabt, die es mir erlaubt hätte, den Rest meines Lebens wie ein König zu verbringen. Aber nein, weggenommen haben sie es mir und es dann verpißt. Entschuldigen Sie, Mrs. Smith, aber genau das haben die getan.«
Die einzige Beleuchtung, die ihnen zur Verfügung stand, waren die zwei Lampen am Ga rageneingang, aber Charlie konnte keinerlei Karosserieschäden an dem Wagen, entdekken und auch keine Rostspuren. Der Motor sprang sofort an, stotterte nicht, klopfte auch nicht.
»Wenn Sie wollen, können wir ja eine Runde fahren«, sagte Madigan.
»Das wird nicht notwendig sein«, erklärte Charlie. »Reden wir über den Preis.«
Madigans Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Kommen Sie doch bitte ins Haus.«
»Ich will immer noch Ihren Teppich nicht schmutzigmachen.«
»Wir können zur Küchentür hineingehen.«
Sie banden Chewbacca an einem Pfosten der hinteren Ve randa fest, streiften sich die Schuhe ab, schüttelten den Re gen von ihren Mänteln und gingen hinein.
Die pastellgelb gehaltene Küche war freundlich und warm.
Mrs. Madigan war damit beschäftigt, Gemüse zu schneiden. Sie war grauhaarig und hatte ein rundes Gesicht und war genau wie ihr Mann das Urbild des typischen Amerika ners. Sie bestand darauf, Charlie und Christine Kaffee ein zuschenken, und machte Joey, der auch sie weder eines Wortes noch eines Lächelns würdigte, eine Tasse heiße Schokolade.
Madigan verlangte zwanzig Prozent zuviel für den Jeep, aber Charlie stimmte dem Preis ohne zu zögern zu, und der alte Mann hatte einige Mühe, seine Überraschung zu verbergen.
»Nun, fein! Wenn Sie morgen mit einem bankbestätigten Scheck kommen können...«
»Ich würde gern bar bezahlen und den Jeep gleich mit nehmen«, sagte Charlie.
»Bar?« sagte Madigan verdutzt. »Nun, ich denke, das ist auch in Ordnung. Aber die Papiere?«
»Schulden Sie der Bank noch etwas, oder haben Sie den Brief?«
»Oh, der Wagen ist bezahlt. Ich habe den Brief hier.«
»Dann können wir doch den Papierkram gleich erledigen.«
»Sie müssen einen Emissionstest machen, ehe Sie den Wagen auf Ihren Namen zulassen können.«
»Ich weiß. Das kann ich ja gleich morgen früh erledigen.«
»Aber wenn es irgendwelche Probleme gibt...«
»Sie sind ein ehrlicher Mann, Mr. Madigan. Ich bin überzeugt, daß Sie mir einen erstklassigen Wagen verkauft haben.«
»Oh, natürlich. Ich habe ihn immer gut in Schuß gehalten.«
»Das reicht mir.«
»Sie werden mit Ihrer Versicherung noch sprechen müssen.«
»Das werd' ich tun. Aber für die ersten vierundzwanzig Stunden
Weitere Kostenlose Bücher